Ausführliche Biographie Theodor Fontane (1819 – 1898)

Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 als Sohn hugenottischer Eltern in Neuruppin geboren, startete seine Karriere als Apothekergehilfe. Mit Mitte Zwanzig begab er sich als Freiwilliger für ein Jahr in den Militärdienst der Kaiser Franz-Garde. Mit diesem Wissen ausgestattet kämpfte er auf der Seite der Revolutionäre in den sogenannten Barrikadenkämpfen 1848. Ein Jahr später und nachdem er mit dem Berliner Literaturbetrieb in Kontakt gekommen war, hängte er seinen Apothekerberuf vollständig an den Nagel und beschloss fortan als freier Schriftsteller zu leben. Fontane, der das Gros seiner Romane erst nach dem 60. Lebensjahr veröffentlichte, gilt als herausragender Vertreter des poetischen Realismus. Er starb am 20. September 1898 in Berlin.


Lebenslauf Friedrich Dürrenmatt

Von Florian Wolfrum

Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin, einer kleinen märkischen Stadt nordwestlichvon Berlin, geboren. Seine Eltern, Louis Henri Fontane und Emilie Labry, stammen von Hugenotten ab, die Ende des 17. Jahrhunderts Frankreich wegen ihres Glaubens verlassen mussten und in Brandenburg Zuflucht fanden. Sie taufen ihren ersten Sohn 'Henri Théodore'; ins Kirchenbuch wird er zugleich als 'Heinrich Theodor' eingetragen, und der zweite Vorname wird zum Rufnamen. Den Stolz auf die hugenottische Familientradition wird auch der spätere Schriftsteller bewahren, der seinen Nachnamen, im Gegensatz zur heutigen Gewohnheit, französisch (also ohne Endungs-e) ausspricht.

Fontanes Vater Louis Henri besitzt die Neuruppiner Löwen-Apotheke in Fontanes Geburtshaus. Das Geschäft geht jedoch nicht sehr gut, und als Fontanes Geschwister Rudolf, Jenny und Max geboren werden, wird die finanzielle Lage so prekär, dass der Vater die Apotheke im Jahr 1826 verkauft und mit der Familie nach Swinemünde an der Odermündung übersiedelt.

Da die Mutter dagegen ist, dass Theodor die Swinemünder Stadtschule besucht, wird er zu Hause zunächst von den Eltern, später von Privatlehrern unterrichtet. 1832 besucht er kurze Zeit ein Gymnasium, doch der Vater gibt ihn noch vor Ende des ersten Schuljahrs in eine Berliner Realschule und lässt ihn bei seinem Halbbruder August und dessen Frau Philippine, genannt »Tante Pinchen« wohnen. Voll Bedauern über seine bruchstückhafte Schulbildung wird Fontane viele Jahre später schreiben: "Das berühmte Wort vom 'Stückwerk' traf auf Lebenszeit buchstäblich und in besonderer Weise auf mich zu."

Nach dem Ende der Schulzeit wählt Fontane den Beruf des Vaters und wird Apotheker. An professionelle Schriftstellerei denkt er noch lange nicht; seine literarische Produktion erstreckt sich auf wenige Gedichte und Aufsätze über historische Themen. Die Apothekerlehre kommt seinen literarischen Ambitionen zugute, und zwar aus zwei Gründen: Erstens lassen sich beim monotonen und langwierigen Anrühren der Rezepturen recht gut Gedichte und sogar kleinere Prosastücke verfassen, die er dann in seiner Freizeit zu Papier bringt. Zweitens unterhält der Apotheker, wie es damals nicht selten war, einen Lesezirkel: Neuerscheinungen des Buchmarkts und vor allem Zeitschriften liegen in seiner Apotheke aus. Am interessantesten für den jungen Fontane ist die von Karl Gutzkow herausgegebene Zeitschrift Der Telegraph für Deutschland, eines der wichtigsten Organe des Jungen Deutschland.

Während der Lehrzeit entstehen die Dichtung Heinrichs IV. erste Liebe und die Erzählungen Du hast recht getan und Geschwisterliebe. Nur die letztere ist überliefert, denn sie wird im Berliner Figaro in Fortsetzungen abgedruckt – damit wird Theodor Fontane im Jahr 1839 nicht nur fertiger Apothekergehilfe, der Zwanzigjährige ist auch zum ersten Mal als Schriftsteller öffentlich in Erscheinung getreten.

 Karikatur aus dem Simplicissimus
Karikatur von Karl Arnold aus dem Simplicissimus vom 1. Januar 1920

»Was kann denn an einem Mann sein, der in Neuruppin geboren ist?«

»Aber bedenken Sie, daß seine Eltern französische Emigranten waren.«

Louis Henri Fontane und Emilie Fontane, geb. Labry
Louis Henri Fontane (1796 – 1867). Bleistiftskizze von Helmuth Raetzer, 1859 und Emilie Fontane, geb. Labry (1797 – 1869).
Pastellportrait von Pierre Barthélemy Fontane, 1817

»[...] wenn ich gefragt würde, welchem Lehrer ich mich so recht eigentlich zu Dank verpflichtet fühle, so würde ich antworten müssen: meinem Vater, meinem Vater, der sozusagen gar nichts wußte, mich aber mit dem aus Zeitungen und Journalen aufgepickten und über alle möglichen Themata sich verbreitenden Anekdotenreichtum unendlich viel mehr unterstützt hat als alle meine Gymnasial- und Realschullehrer zusammengenommen.«
Fontane über seinen Vater, aus ‘Meine Kinderjahre’

»Sie war dem ganzen Rest der Familie, der damaligen wie der jetzigen, weit überlegen, nicht an sogenannten Gaben, aber an Charakter, auf den doch immer alles ankommt.«
Fontane über seine Mutter, aus ‘Meine Kinderjahre’

Die Löwen-Apotheke in Neuruppin
Die Löwen-Apotheke in Neuruppin

Fontanes Verhältnis zum Apothekerwesen war notwendigerweise von der Figur des Vaters, »ein schiefgewickelter, oder ins Apothekerhafte übersetzter Weltweiser« (Brief an Karl und Emilie Zöllner vom 15. Juli 1866), mitgeprägt: »[...] sein Lebelang in der Welt kutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen.«

Aus ‘Meine Kinderjahre’

August und Philippine Fontane
August Fontane (1801 – 1870). Selbstbildnis, 1828 und Philippine Fontane (1810 – 1882).
Gemälde ihres Mannes August, 1835

»Onkel August und Tante Pinchen waren ein sehr merkwürdiges Paar, dem ich mich, trotzdem ich nicht viel Rühmliches von ihnen zu vermelden habe, persönlich doch zu großem Danke verpflichtet fühle. [...] Da war alles auf Schein, Putz und Bummelei gestellt; medisieren und witzeln, einen Windbeutel oder einen Baiser essen, heute bei Josty und morgen bei Stehely, nichts tun und nachmittags nach Charlottenburg ins Türkische Zelt fahren – das war so Programm. Wo das Geld dazu herkam, erworben oder nicht erworben, war gleichgültig, wenn es nur da war.«

Aus ‘Meine Kinderjahre’

»Simsons Tod«, eines der ersten gedruckten Gedichte Fontanes
»Simsons Tod«, eines der ersten gedruckten Gedichte Fontanes, erschien am 6. Februar 1840 im Berliner Figaro.