Kurzinhalt, Zusammenfassung "Das Stunden-Buch (1905)" von Rainer Maria Rilke

Das Stunden-Buch, eines der Hauptwerke des literarischen Jugendstils, bildet gleichzeitig den Höhe- und den Schlusspunkt des Rilkeschen Frühwerkes. Das dreiteilige Œuvre, das als zentrales Thema immer wieder Rilkes pantheistisches Gottesverständnis zum Ausdruck bringt, verarbeitet die wesentlichen Erfahrungen und Erkenntnisse des nunmehr dreißigjährigen Rilke. In insgesamt drei Büchern, „gelegt in die Hände von Lou“, so die Widmung, reflektiert es drei wichtige Etappen sowohl im Leben als auch im künstlerischen Entwicklungs- und Schaffensprozess des Dichters.

Obgleich jeder einzelne der drei Zyklen in verhältnismäßig kurzer Zeit entstanden ist, liegen zwischen den Zyklen und zwischen dem letzten Zyklus und der Veröffentlichung jeweils ein bis zwei Jahre.

Der Titel „Stunden-Buch“ erinnert an die seit dem 15. Jahrhundert verbreiteten Gebetbücher, in denen nicht nur Bußpsalmen und die Anfänge der Evangelien enthalten waren, sondern auch einzelne, an bestimmte Tageszeiten bzw. Stunden gebundene Gebete. 

Erstes Buch: Das 1899 begonnene „Buch vom mönchischen Leben“ fasst in 67 Gedichten die Erfahrungen von Rilkes erster Russlandreise zusammen und beschäftigt sich intensiv mit seinen persönlichen, sehr intensiven Gotteserfahrungen und -empfindungen. Dabei werden Gott und Luzifer in einem ungewöhnlichen, aber wertfreien Bild gegenübergestellt, das Luzifer als „Fürst im Land des Lichts“ und als „der helle Gott der Zeit“ darstellt, während Gott mit „dunkel tief“ beschrieben wird (Gedicht 50).

Zweites Buch: Das 1901 in Westerwede entstandene „Buch von der Pilgerschaft“ reflektiert in 34 Gedichten die Worpsweder und Westerweder Zeit im Kreis der Worpsweder Künstlerkolonie, vor allem anhand von Landschaftsbeschreibungen und Reflektionen über genau das bürgerliche Leben, das Rilke und Clara Westhoff gerade selbst begonnen haben. Daneben erscheinen mehrfach Reflektionen über Vater-Sohn-Beziehungen, auch im Hinblick auf Gott und Mensch, was an das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32) denken lässt, das auch das zentrale Thema der letzten Aufzeichnung des „Malte Laurids Brigge“ ist.

Drittes Buch: Das 1903 in Viarregio entstandene „Buch von der Armut und vom Tode“ setzt sich, wiederum in 34 Gedichten, vor allem mit Rilkes Erlebnissen in Italien auseinander. Die in den ersten beiden Büchern vorherrschende dialogische Gesprächssituation weicht zunehmend einer monologischen und weist damit auch auf den Malte-Roman voraus. Ebenfalls auf die „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ verweisen die immer wiederkehrenden Verse über die großen Städte, die oft in einem Atemzug mit Armut genannt werden. An den Schluss des dritten Buches wiederum, der von Franz von Assisi und dessen Gesang und Tod erzählt, erinnert der Schluss des ersten Teils der „Sonette an Orpheus“, besonders unter dem Aspekt der Überwindung von Vergänglichkeit – der Sänger stirbt, sein Gesang aber überlebt.