Literaturepoche Exil / Innere Emigration / Nazi-Literatur (Seite 4)

Eine humanistische Position verkörperten im Dritten Reich Schriftsteller wie Gerhart Hauptmann (1862-1946), Ricarda Huch (1864-1947), Hans Fallada (1893-1947) oder Erich Kästner (1899-1974). Als Literatur-Nobelpreisträger war Hauptmann der prominenteste in Deutschland gebliebene Autor. In seinem Drama „Die Tochter der Kathedrale" (1938) und später in seiner Tetralogie „Iphigenie in Aulis" (1940), „Iphigene in Delphi" (1941), „Agamemnons Tod" (1942) und „Elektra" (1944) versuchte er die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich. Hans Falladas Romane wie „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt" (1934) oder „Wolf unter Wölfen" (1937) erwiesen sich durch ihre realistische Wirklichkeitsgestaltung - unausgesprochen - als Opposition zur systemtreuen Literatur. Allerdings wurde der letztgenannte Roman schon 1938 auf die Liste der „unerwünschten", d.h. nicht zu verbreitenden Literatur gesetzt. Zu den Autoren, die im Dritten Reich verstummten, gehörte der Bildhauer, Graphiker und expressionistische Dramatiker Ernst Barlach (1870-1938).

Eine Sonderrolle nimmt der deutsch-schweizerische Schriftsteller Hermann Hesse (1877-1962) ein, der schon in den 20er Jahren mit Büchern wie "Siddharta" und "Der Steppenwolf" ein internationaler Bestsellerautor war. Er lebte als Schweizer Staatsbürger seit 1919 im Tessin, später in Montagnola, wo sein Haus 1933 zur Anlaufstelle für Emigranten wie Bertolt Brecht und Thomas Mann mit ihren Familien wurde. Die Entwicklung im nationalsozialistischen Deutschland (wo er nicht mehr gedruckt wurde) betrachtete er mit Sorge. Sein Roman "Das Glasperlenspiel", für den er 1946 den Literatur-Nobelpreis erhielt, erschien 1943 in der Schweiz.

Von einer christlichen Position aus schrieben Autoren wie Jochen Klepper (1903-1942, der zusammen mit seiner jüdischen Frau und der Stieftochter Suizid beging) („Der Vater. Der Roman des Soldatenkönigs", Roman, 1937), Werner Bergengruen (1892-1964) („Der Großtyrann und das Gericht", Roman, 1935) und Stefan Andres (1906-1970) („El Greco malt den Großinquisitor", Novelle, 1936). Von derselben Position aus deutlich kritischer schrieben Gertrud von Le Fort (1876-1971) („Die Magdeburgische Hochzeit", Roman, 1938) und vor allem Reinhold Schneider (1903-1958), der dem politisch konservativen Widerstand nahestand und mit seiner Erzählung „Las Casas vor Karl V." (1938) eine Form fand, den Rassismus des Dritten Reiches anzuklagen.
Gertrud Kolmars (1894-1943) formstrenge und metaphernreiche Lyrik des Bandes „Die Frau und die Tiere" (1938) wurde nach Erscheinen verboten. In Oskar Loerkes (1884-1941) Lyrikbänden „Der Silberdistelwald" (1934) oder „Der Steinpfad" (1938) wird die Abwehr gegen den Geist des NS-Regimes spürbar, aber erst aus den zeitgleich entstandenen, aus dem Nachlass publizierten Gedichten („Die Abschiedshand", 1949) wird eine explizit widerständige Haltung erkennbar. Mit Wilhelm Lehmann (1882-1968), dessen symbolreiche, naturmagische Gedichte viele jüngere Autoren wie Günter Eich, Peter Huchel oder Karl Krolow (1915-1999) beeinflussten, und Elisabeth Langgässer, der katholischen Dichterin jüdischer Herkunft, sind zwei weitere bedeutende Autoren der inneren Emigration benannt. Langgässers naturmagisch-mythologischer Gedichtzyklus „Die Tierkreisgedichte" (1935) konnte noch publiziert werden, anderes, wie der Lyrikband „Der Laubmann und die Rose" und der ästhetisch avancierte Roman „Das unauslöschliche Siegel", dessen Thema die Erlösung des Menschen - die Hauptfigur ist ein getaufter Jude - durch Gottes Gnade ist, erschienen erst nach dem Krieg.

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