Interpretation "Dantons Tod" von Georg Büchner

Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft lautet der Untertitel zu Büchners einzigem zu Lebzeiten gedruckten literarischen Werk, als es, nach einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift Phönix, 1835 im Verlag J. D. Sauerländer erscheint. "Abgeschmackt" findet der Autor diesen Zusatz des Herausgebers Eduard Duller (Brief an die Familie vom 28. Juli 1835), "merkantilistisch" nennt ihn der (ebenfalls unschuldige) Redakteur und Vermittler Karl Gutzkow. 'Albern', könnte man sich heute erlauben hinzuzufügen. Und doch verweist diese editorische Belanglosigkeit auf einige wichtige Aspekte des Werkes und seines historischen Kontextes: In der politisch unruhigen Vormärz-Zeit ist das Thema (Französische) Revolution eine heikle Angelegenheit – mit dem wertenden Begriff Schreckensherrschaft kann gewissermaßen eine Art von 'political correctness' signalisiert werden, um, vor allem mit Blick auf die Zensurbehörden, ja nicht in den Verdacht einer verherrlichenden Darstellung des Revolutionsgeschehens zu geraten.

Ein unnötiges Unterfangen, denn Büchners Drama ist weit davon entfernt, ein Tendenzstück zu sein (was angesichts der deutlichen Sprache in Der hessische Landbote durchaus zu erwarten gewesen wäre); zugleich ist Dantons Tod – fast erübrigt sich der Hinweis – alles andere als antirevolutionär. Denn wenngleich die verschiedenen Figuren und unterschiedlichen Positionen mit kritischer Distanz behandelt werden und die Sinnlosigkeit der terreur offen zutage tritt, so gibt es keine einzige Stelle, aus der ein restauratorischer Unterton herauszulesen wäre. Das Ancien Régime (und damit ist hier mehr als nur der französische Absolutismus gemeint) erscheint als überwundene historische Phase; was in politischer Hinsicht zur Debatte steht, ist die Reichweite der Revolution, die Rechtfertigung der Methode und die Lösung der sozialen Frage.

Die konkrete geschichtliche Situation, in die Büchners Drama eingebettet ist, bezeichnet die letzte 'Steigerung' der Revolutionsdynamik vor der Wende durch die Hinrichtung Robespierres. Nachdem alle gemäßigten Gruppierungen ausgeschaltet worden sind, beginnen die Grabenkämpfe unter den Jakobinern (Ende 1793/Anfang 1794); die Handlung setzt kurz nach der Eliminierung der Hébertisten (der eigentlich radikalsten Fraktion) ein und endet mit derjenigen der Dantonisten, die sich, obgleich sie lange Zeit alle Gewaltmaßnahmen mitverantwortet hatten, nun von Robespierres harter Linie zu distanzieren beginnen.

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