Interpretation "Die drei Sprünge des Wang-lun" von Alfred Döblin (Seite 2)

China ist als Thema und Schauplatz in jenen Jahren in Mode, auch unter Literaten; man denke nur an Bertolt Brecht und Franz Kafka, später auch an Hermann Hesse. Alfred Döblin verknüpft das fernöstliche Leben nicht mit einer romantisierenden Darstellung von dessen Kunst, Philosophie und Weisheit, sondern mit einem politischen Revolutionsroman, in dem es um Macht, Machterhalt und den Kampf des Einzelnen gegen eine Diktatur geht.

Zunächst gelingt es Döblin nicht, den Roman bei einem Verlag unterzubringen; erst nach zwei Jahren findet sich der Samuel Fischer-Verlag zu einer Veröffentlichung bereit. Doch 1914 bricht der Erste Weltkrieg aus und der Roman kann deshalb erst 1916 erscheinen. Noch im August des gleichen Jahres wird Döblin für dieses Werk mit dem Fontane-Preis geehrt.

Die drei Sprünge des Wang-lun gilt als erstes Meisterwerk expressionistischer Erzählkunst. Für viele markiert dieser Roman den Beginn der literarischen Moderne in Deutschland, wegen seiner explosiven Sprache und der faszinierenden Flut an Bildern und Motiven. Der Roman macht seinen Autor berühmt, obwohl er gängigen Lesegewohnheiten widerspricht. Die Sprache hat ein hohes Tempo, Szene reiht sich an Szene, Bild an Bild, Ereignis folgt auf Ereignis. Einzelne Sequenzen stehen lose im Ganzen und folgen Döblins Schreibtechnik, die nicht auf Linearität des Erzählens angelegt ist, sondern einzelne Sequenzen für sich stehen lässt, die erst der Leser zu einem Ganzen zusammenfügt.

Günter Grass schreibt über dieses bemerkenswerte Buch: „Wang-lun, der Führer der Schwachen und Wehrlosen, wird, indem er das Schwachsein zur Ideologie erheben will, schuldig. Die Greuel der Schwachen und Gammler der Mandschu-Zeit messen sich an den Greueln der Herrschenden; Wang-lun, der sanfte Berserker, scheitert und löschte sich aus. Doch so sehr diese These bester deutscher Kohlhaas- und Karl-Moor-Tradition entspricht, neu, wenn auch nicht ohne ornamentale Bindungen an den Jugendstil, ist die Sprache, neu in diesem Roman und bestürzend revolutionär sind die Darstellungen der Massenszenen: Menschen, in Bewegung geraten, stürmen Berge, werden zum beweglichen Berg, die Elemente stürmen mit. Mit „Die drei Sprünge des Wang-lun“ gab uns Döblin den ersten futuristischen Roman."

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