Interpretation "Effi Briest" von Theodor Fontane

Wie viele Romane und Erzählungen Fontanes geht Effi Briest auf eine wahre Begebenheit zurück: die Geschichte von Armand Léon Baron von Ardenne und seiner Frau Elisabeth (Else), geborene Freiin von Plotho. Elisabeth heiratet ihren Mann offenbar aufgrund einer Intervention ihrer Mutter, obwohl sie ihn zuvor abgewiesen hatte. Im Sommer 1881 übersiedeln die Eheleute nach Düsseldorf, wo Ardenne als Rittmeister bei den Husaren diente. Das gebildete, weltoffene Paar versammelt einen großen Freundeskreis um sich, zu dem auch der Amtsrichter Hartwich zählt. Zwischen diesem und Else entwickelte sich ein intimes Liebesverhältnis; beide haben vor, sich von ihren Ehepartnern zu trennen und zu heiraten. Armand von Ardenne, der inzwischen von der Affäre erfahren hat, verschafft sich die Korrespondenz der beiden, reicht eine Scheidungsklage ein und fordert seinen früheren Freund zum Duell, das am 27. November 1886 stattfindet. Hartwich erliegt wenige Tage darauf seiner Schussverletzung, und am 15. März 1887 wird die Ehe zwischen Armand und Else rechtskräftig geschieden. Ardenne wird wegen des Duells zu Festungshaft verurteilt, bald darauf aber begnadigt und kann seine militärische Karriere fortsetzen. Else darf dagegen die gemeinsamen Kinder nicht wiedersehen; sie widmet sich für den Rest ihres Lebens humanitären Aufgaben und stirbt 1952 am Bodensee, ein Jahr vor ihrem hundertsten Geburtstag.

Fontane, der von diesen Vorfällen angeblich bei einer Tischgesellschaft erfahren hat, beginnt im Jahr 1888 mit Vorarbeiten zu diesem Roman, den er allerdings erst sechs Jahre später beendet. Auch sein Kollege Friedrich Spielhagen, seinerzeit ebenso bekannt wie Fontane, verarbeitet übrigens dieselben Ereignisse zu einem Roman mit dem Titel Zum Zeitvertreib.

Gegenüber den tatsächlichen Begebenheiten ist die Handlung in Fontanes Romans stark verändert, und das offenbar nicht nur aus Gründen der Diskretion – angefangen beim großen Altersunterschied des Paares (Effi ist zum Zeitpunkt der Eheschließung 17, Innstetten 38) bis hin zum frühen Tod der Heldin. Effis Seitensprung ist weniger das Ergebnis ihres eigenen Willens als vielmehr ihrer Unfähigkeit, sich dem Willen des Majors Crampas zu widersetzen. Scheidung und Heirat ziehen Effi und Crampas nie ernsthaft in Erwägung, auch wenn Effi einmal von Flucht spricht. Innstetten sucht nicht mit Absicht nach Beweismaterial für eine Scheidung, sondern stolpert zufällig darüber und glaubt, der Pflicht zur Wiederherstellung seiner Ehre durch ein Duell genügen zu müssen. So ergibt sich, viel mehr als es in der Realität der Fall gewesen sein dürfte, das Bild einer verhängnisvollen Verstrickung, die Crampas und Effi das Leben kostet und auch Innstetten ohne wirkliche Genugtuung zurücklässt.

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