Ungekürztes Werk "Soll und Haben" von Gustav Freytag (Seite 560)

bin kein bequemer Gesell, am wenigsten für ein Weib, und du wirst deinen eigenen Willen, dessen Verlust du jetzt beklagst, recht gemütlich wiederfinden. Sei ruhig, Liebchen, du wirst wieder ein Trotzkopf werden, wie du gewesen bist, du brauchst dich deshalb gar nicht zu grämen. Also auf einige Stürme mache dich gefaßt, aber auch auf herzliche Liebe und auf ein fröhliches Leben. Du sollst mir wieder lachen, Lenore. Meine Hemden brauchst du nicht zu nähen, wenn du das Wirtschaftsbuch nicht führen willst, so läßt du es bleiben. Und wenn du deinen Söhnen zuweilen im Eifer einen Backenstreich gibst, er wird unserer Brut nicht schaden. Also ich denke, du gibst dich.«

Lenore schwieg, aber sie drückte sich fest an seine Brust.

Fink zog sie fort. – »Komm zur Mutter«, rief er.

Über das Bett der Kranken beugten sich Fink und Lenore. Um das bleiche Gesicht der Mutter flog ein heller Schein, als sie die Hände auf das Haupt des Mannes legte und ihm ihren Segen gab.

»Sie ist weich und noch immer ein Kind«, sagte sie zu dem Manne. »In Ihren Händen, mein Sohn, liegt es, eine gute Frau aus ihr zu machen.«

Sie trieb die Kinder aus dem Zimmer. »Geht zum Vater«, bat sie, »führt ihn dann zu mir und laßt uns allein.«

Als der Freiherr neben seiner Gemahlin saß, zog die Baronin seine Hand an ihre Lippen und sprach leise: »Heut will ich dir danken, Oscar, für viele Jahre des Glücks, für all deine Liebe.«

»Armes Weib!« murmelte der Blinde.

»Was du erfahren und gelitten hast«, fuhr die Baronin fort, »das hast du erfahren und gelitten für mich und meinen Sohn, und beide lassen wir dich allein zurück in einer freudelosen Welt. – Dir sollte das Glück nicht werden, deinen Namen in der Familie zu vererben. In deinem Haus bist du der letzte, welcher den Namen Rothsattel trägt.«

Der Freiherr stöhnte.

»Aber der Ruf, den wir hinterlassen, soll ohne Flecken sein, wie dein ganzes Leben war, – bis auf zwei Stunden der Verzweiflung.« Sie hielt die Hand des Blinden an das Bündel Schuldscheine und riß jeden einzelnen durch, sie klingelte dem Diener und ließ die Papiere Stück für Stück in den Ofen werfen. Die Flamme flackerte hellauf und warf ein rotes Licht über das Zimmer, es rauschte und knisterte, bis der Brand verglommen. Die Dämmerung des Abends füllte die Stube, und an dem Bett der kranken Frau lag der Freiherr und drückte das Haupt in die Decken, und sie hielt ihre Hände über ihm gefaltet, und ihre Lippen bewegten sich im leisen Gebet.

Im Morgengrau flatterten die Krähen und Dohlen über dem Schnee des Schloßdaches. Die schwarzen Vögel schweben um die Zinne des Turms, und sie brechen mit lautem Geschrei nach dem Walde auf und erzählen ihrem Volk, daß im Hause eine Braut sei und eine Tote. Die bleiche Frau aus der Fremde ist in der Nacht gestorben, und der Blinde, welcher jetzt zusammengesunken in den Armen seiner Tochter liegt, hat in seinem Schmerz nur ein tröstendes Gefühl, daß er ihr, die endlich Ruhe gefunden, in kurzem nachfolgen wird: Und die

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