Interpretation "Götz von Berlichingen" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 3)

Dabei erweist sich die Symbolik der eisernen Hand als ambivalent. Einerseits suggerieren rechte Hand und eisern 'positive' Wertvorstellungen wie Treue und Standhaftigkeit. Aber Freiheit impliziert auch das Motiv des freien Handelns – und hier zeigt sich Götz mit seiner Prothese, eben der eisernen Hand, als von vornherein eingeschränkt. Die eiserne Hand wird zu einem zentralen Symbol der Demontage des freien und naturhaften Individuums, die Hand als solche wird darüber hinaus zum 'gleitenden' Bedeutungsträger, der verschiedene Figuren des Stücks markiert. So wird Weislingen in der ersten Szene als "des Bischofs rechte Hand" bezeichnet. Nach Weislingens Verlobung erzählt Götz einen symbolischen Traum: Weislingen habe versucht, ihm die eiserne Hand abzureißen, und er sei vor Schreck darüber aufgewacht. Götz deutet den Traum zuerst fälschlich als positives Zeichen: "Ich hätte nur fortträumen sollen, da würd ich gesehen haben, wie du mir eine neue, lebendige Hand ansetztest."

Nach Weislingens Treubruch besieht Götz seine Hand: "Oh! Das deutete der Traum [...] er sagte mir Treu zu, und hielt meine rechte Hand so fest, daß sie aus den Armschienen ging, wie abgebrochen. Ach! Ich bin in diesem Augenblick wehrloser, als ich war, da sie mir abgeschossen wurde. Weislingen! Weislingen!"

Weislingen seinerseits ist als Hand des Bischofs im wörtlichen Sinne nur ausführendes Organ, besitzt keine eigene Identität und wird so zum Objekt von Adelheids Ränkespiel. Auch Weislingen, schon vom Gift gezeichnet, hat einen Traum: "Die vorige Nacht begegnete ich Götzen im Wald. Er zog sein Schwert und forderte mich heraus. Ich faßte nach meinem, die Hand versagte mir."

Die Freiheit des Handelns wird schon in Berlichingens Gespräch mit Sickingen explizit thematisiert: "Und dann kann der beste Ritter nichts machen, wenn er nicht Herr von seinen Handlungen ist." Und genau an dieser Stelle wird auch deutlich, wie die neue Staatsgewalt durch die Bürokratie die Handlungsfreiheit des Individuums einschränkt. Götz erzählt, wie er einmal dem Pfalzgrafen zugesagt hatte, einen Kriegszug mitzumachen: "[...] da legt’ er mir einen Zettel aus der Kanzlei vor, wie ich reiten und mich halten sollt; da warf ich den Räten das Papier wieder dar und sagt, ich wüßt nicht darnach zu handlen, ich weiß nicht was mir begegnen mag, das steht nicht im Zettel [...]."

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