Interpretation "Der Zauberberg" von Thomas Mann (Seite 2)

Wie die meisten Werke Thomas Manns behandelt auch Der Zauberberg im Kern das Spannungsverhältnis zwischen den Zwängen der bürgerlichen Gesellschaft und der Freiheit des künstlerischen Lebensentwurfs. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Familien in der Welt außerhalb des Sanatoriums, die stets darauf bedacht sind, ihre Lebenszeit zu nutzen und fleißig ihren Geschäften nachzugehen, lässt Hans Castorp auf dem Zauberberg die Zeit großzügig verstreichen und beschäftigt sich nur mit sich selbst. Auffällig allerdings ist die Faszination, mit der nicht nur die Figur selbst, sondern auch der Romantext insgesamt sich den kleinen Wehwehchen, den verschiedenen Krankheiten und schließlich dem Tod selbst widmet. Thomas Mann scheint warnen zu wollen: Der Künstler darf sich vom bürgerlichen Leben abwenden, nicht aber vom Leben an sich!

Das Fazit des Romans ist skeptisch. Hans Castorp ist im Grunde zwar in der Lage, die Sogkraft des Todes zu erkennen, verdrängt seine Einsicht jedoch im Alltag des Sanatoriums wieder. Auf seiner Schneewanderung, die zu Recht als eine der Schlüsselszenen im Roman gilt, beschließt er, sich zukünftig nicht mehr vom Tod bestimmen zu lassen. „Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken“, heißt es. Trotzdem gibt Castorp sich letztendlich dem Tod hin: Er zieht als Soldat in den Krieg. Der Erzähler des Romans verliert den Helden auf einem Schlachtfeld aus den Augen, und die Vermutung liegt nahe, dass Castorp den Krieg nicht überleben wird.

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