Biographie Robert Walser (Seite 2)

Da die Familie es sich nicht leisten kann, Robert über sein vierzehntes Lebensjahr hinaus zur Schule zu schicken, absolviert er von 1892 bis 1895 auf Geheiß des Vaters eine Lehre zum Bankkaufmann. Kurzfristig arbeitet er in dem Beruf, entdeckt dann jedoch die Liebe zum Theater und brennt zu seinem Bruder Karl nach Stuttgart durch. Er spricht am Hoftheater vor – mit niederschmetterndem Ergebnis: seine darstellerischen Künste seien hölzern und ausdruckslos. Zu Fuß kehrt er in die Schweiz zurück, lässt sich in Zürich nieder und arbeitet in den folgenden Jahren in rasch wechselnden Anstellungen als Kommis, also als Büroangestellter.

Gleichzeitig beginnt Robert Walser mit der Produktion eigener literarischer Texte. Er schreibt Gedichte, Dramolette und Prosastücke, die er in verschiedenen Zeitungen publiziert und darüber schnell zum Geheimtipp avanciert. Der österreichische Schriftsteller und Herausgeber Franz Blei macht ihn mit dem Künstlerkreis um die vom Jugendstil geprägte Münchner Zeitung Die Insel bekannt, in der Walser 1899 selbst veröffentlicht. Er trifft Frank Wedekind, Max Dauthendey und Otto Julius Bierbaum.

Eines wird Walser schnell bewusst: Der Broterwerb im Büro und das eigene künstlerische Schaffen sind für ihn nur schwer miteinander vereinbar. Besonders deutlich wird die Frustration des Autors über sein Angestelltendasein in seinem berühmten Stellengesuch, das aus dieser Zeit stammt:
"Ich bin ein armer, junger, stellenloser Handelsbeflissener, heiße Wenzel, suche eine geeignete Stelle und erlaube mir hiermit, Sie höflich und artig anzufragen, ob vielleicht in Ihren luftigen, hellen, freundlichen Räumen eine solche frei sei. […] Große und schwierige Aufgaben kann ich nicht lösen und Pflichten weitgehender Natur sind zu schwer für meinen Kopf. Ich bin nicht sonderlich klug, und was die Hauptsache ist, ich mag den Verstand nicht gern so sehr anstrengen […]. Sicherlich gibt es in Ihrem weitverzweigten Institut, das ich mir überreich an Ämtern und Nebenämtern vorstelle, eine Art von Arbeit, die man wie träumend verrichten kann. - Ich bin, um es offen zu sagen, ein Chinese, will sagen, ein Mensch, den alles, was klein und bescheiden ist, schön und lieblich anmutet, und dem alles Große und Vielerforderische fürchterlich und entsetzlich ist. […]"

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