Biographie Stefan Zweig (Seite 3)

Manche der Aussagen Zweigs zu Beginn der dreißiger Jahre sprechen dafür, dass er sich der zunehmenden Bedrohung durch den Faschismus in keiner Weise bewusst ist: Er „fürchte die Hitler-Anhänger nicht, selbst wenn sie an die Macht kommen“, denn, so Zweig am 15. Januar 1932 an Romain Rolland: „nach zwei Monaten werden sie sich selbst zerfleischen.“ Mit dem Jahr 1933 wird die Situation für ihn aufgrund der jüdischen Wurzeln seiner Familie allerdings prekär. Seiner Herkunft wird er sich zunehmend bewusst, da sie zum Problem für ihn wird – obwohl er sich in Österreich befindet, wo sich die Ereignisse erst später in ihrer ganzen Tragweite entfalten. Die vielen Reisen dienen inzwischen nicht mehr nur der Völkerverständigung und dem Knüpfen persönlicher Kontakte, sie werden für ihn eher zur willkommenen Fluchtmöglichkeit aus einem Land, in dem die Nationalsozialisten immer einflussreicher werden. Als jüdischer Schriftsteller bleibt ihm ab 1933 der deutsche Literaturmarkt verschlossen und seine Bücher erscheinen auf der ‚schwarzen Liste’. Am 10. Mai werden sie öffentlich verbrannt – gemeinsam mit den Werken Heinrich Heines, Albert Einsteins und seines Freundes Romain Rolland. Die Premiere der schweigsamen Frau findet zwar noch statt, aber kurz darauf wird die Oper verboten, da das Libretto von Zweig stammt.

Nach einer überraschenden polizeilichen Hausdurchsuchung auf dem Kapuzinerberg beschließt Zweig, seine Heimat vorübergehend zu verlassen und nach London überzusiedeln, wo er sich – obgleich er sonst pflegt, bei Auslandsbesuchen in Hotels zu wohnen – eine kleine Wohnung mietet. Zu dieser Entscheidung mag auch eine krisenreiche Phase seiner Ehe entscheidend beitragen: erste Anzeichen für die bald unausweichliche Trennung von seiner Frau Friderike. Inwieweit sich Zweig zu diesem Zeitpunkt allerdings darüber im Klaren ist, dass es sich bei der Abreise um den Beginn seines Weges ins Exil handelt, ist unklar. Zumindest aufgrund seiner Vertrautheit mit verschiedenen europäischen Sprachen und seiner internationalen Anerkennung stellt der Umzug für ihn zunächst jedoch keine Schwierigkeit dar. Er kehrt von nun an nur noch zu Besuch nach Salzburg zurück, auch um geschäftliche Angelegenheiten über die Herausgabe seiner Werke zu klären. Da er sich in der Zwischenzeit vom Insel Verlag getrennt hat, erscheint seine Biographie über Erasmus von Rotterdam, in der er versucht, seine Gegenposition zum Nationalsozialismus darzustellen und seinen humanistischen Pazifismus sowie seine kosmopolitische Einstellung zu verteidigen, im Reichner Verlag in Wien.

In London arbeitet er bereits intensiv an seiner Biographie über die Schottenkönigin Maria Stuart. Während der Recherche zu dem Buch kommt er seiner 17 Jahre jüngeren Sekretärin Charlotte (‚Lotte’) Altmann näher; aus der geschäftlichen Zusammenarbeit entwickelt sich eine Liebesbeziehung. Mit der Trennung von Friderike beginnt Zweig auch, die Auflösung seines Salzburger Wohnsitzes zu planen. In London bezieht er eine größere Wohnung, obgleich er sich dort offenbar immer weniger wohl fühlt und in den Briefen an seine Freunde den Verlust seiner Heimat zunehmend beklagt. Während des englischen Exils entsteht außerdem sein einziger Roman, Ungeduld des Herzens, der von den Erfahrungen eines Offiziers während des Kaiserreichs erzählt und damit einem Österreich, das in dieser Form nicht mehr existiert.

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