Literaturepoche Exil / Innere Emigration / Nazi-Literatur (Seite 2)

Wer lesen wollte, bekam Schriften in die Hand, in denen nationalistische, rassistische und militaristische Demagogie auf (zumeist) ästhetisch unbedarftem Niveau ausgebreitet war, oder Literatur, die sich stilistisch konventionell und apolitisch präsentierte. Zwar kamen auf dem einen oder anderen Wege aufklärerische antifaschistische Literatur vereinzelt ins Dritte Reich (sogenannte Tarnschriften, die unter einem harmlosen Einband entweder humanistische Klassiker oder dezidiert antifaschistische Texte enthielten), und auch in Deutschland selbst gelang es nicht, alle Köpfe gleichzuschalten. Aber - und das gilt vor allem für die jungen Menschen, die im Dritten Reich aufwuchsen - das Lesepublikum, das noch in der Weimarer Republik an einer offenen, vielfältigen, in internationalem Austausch stehenden und avantgardistischen Kultur teilhatte, verlor großenteils die Verbindung zur bedeutenden humanistischen (Welt-)Literatur und nahm mit der „Blut-und-Boden"-Dichtung die nationalsozialistische Demagogie auf mit ihrer Kriegsverherrlichung, ihrem Rassenhass und ihrem Führerkult, ihrem Nationalismus und ihrer Fremdenfeindlichkeit.

Die RSK, in der alle an der Herstellung und Verteilung von Literatur beteiligten Berufsgruppen zusammengefasst waren, hatte 1941 etwa 35.000 Mitglieder, darunter ca. 5.000 Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Zu den in Deutschland gebliebenen namhaften Autoren, die zwischen 1933 und 1945 von Ausschluss oder Schreibverbot betroffen waren, gehörten Gottfried Benn (1886-1956), Werner Bergengruen (1892-1964), Jochen Klepper (1903-1942), Elisabeth Langgässer (1899-1950), Reinhold Schneider (1903-1958), Rudolf Alexander Schröder (1878-1962) und Ernst Wiechert (1887-1950). Der Arzt, Dichter und Essayist Benn z.B. entwickelte sich von seinen expressionistischen Anfängen zu einem äußerst formbewußten Dichter, der 1933/34 mit den Nationalsozialisten ("Der neue Staat und die Intellektuellen", 1933; "Kunst und Macht", 1934) sympathisierte, ehe er sich ernüchtert zurückzog.

Die im Dritten Reich geförderte und verbreitete Literatur war also völkisch-konservativ oder direkt nationalsozialistisch. Weil die Nationalsozialisten im Theater ein Propagandamittel ersten Ranges sahen, förderten (und kontrollierten) sie gerade hier besonders intensiv. Der RSK entsprach hier die „Reichstheaterkammer". Zentral für die national-konservative Dramatik bereits in der Weimarer Republik und nun verstärkt im Dritten Reich war die Weltkriegs- bzw. Bürgerkriegsverherrlichung. Prototypisch für diese dominierende Tendenz steht das Schauspiel „Schlageter" des ehemaligen Expressionisten Hanns Johst (1890-1978), das am 20.4.33 zu Hitlers Geburtstag im Berliner Staatstheater uraufgeführt wurde und während des Ruhrkampfes 1923 spielt. Albert Schlageter, wegen eines Sprengstoffattentats von einem französischen Militärgericht zum Tod verurteilter früherer Weltkriegsoffizier, wird zum Idealtypus des völkischen Helden stilisiert. Neben dem (völkischen) Zeitstück sind als weitere dramatische Formen das Geschichtsdrama - z.B. Erwin Guido Kolbenheyers (1878-1962) „Gregor und Heinrich" (1934) über die Auseinandersetzung zwischen Papst Gregor VII. und König Heinrich IV., dessen Gang nach Canossa als Erfolg umgedeutet wird, und die sogenannte Thingspielbewegung (eine Anknüpfung an das altgermanische Thing, eine Art Gericht) - wie Eberhard Wolfgang Möllers (1906-1972) „Frankenburger Würfelspiel" - zu nennen. Das nationalsozialistische Drama wurde wirkungsvoll unterstützt durch das Hörspiel. Die Autoren orientierten sich hier bevorzugt am Zeremoniell der Parteifeiern mit ihren Massenaufmärschen. Zentrale Themen der häufig als Auftragswerke entstandenen Hörspiele waren Geschichte und Gegenwart des Dritten Reiches. Andererseits bot der Rundfunk auch begrenzte Arbeitsmöglichkeiten für nicht-faschistische Autoren wie Günter Eich (1907-1972), Elisabeth Langgässer (bis zu ihrem Ausschluss aus der RSK 1936) oder Peter Huchel (1903-1981).

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