Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 31)

sich bald in andere Gegenstände. –

Der Nachmittag verging unter Spaziergängen, Ballschlagen, Schaukeln und überhaupt dem unruhigsten Umhertreiben. Herr von Bendraet spielte Piket mit Warneck, und Julie hetzte sich mit Türk, der bald verliebt, bald gänzlich ermattet schien und in den kurzen Zwischenpausen vergebens mit Ledwinen anzuknüpfen suchte.

Elise saß am Rahmen und zeigte ihr einen neuen Stich, den Ledwina sogleich versuchte.

»Fräulein Ledwina«, sagte Türk, »können doch alles nachmachen.«

»Und Herr von Türk«, versetzte Julie, »über alles etwas sagen, aber es steht ihm nicht so gut.«

Karl und Louis traten herein und fragten nach Klemens.

»Ich dachte, er sei bei Ihnen«, sagte Elise.

»Nicht doch«, entgegnete Karl, »wir sprachen von den Kunstwerken Italiens. Da sagte er, wenn wir die schönen Künste vorreiten wollten, so gehe er zum Henker. Nachher kam er noch einmal wieder, brachte ein paar ausgefallene Gänsefedern und etwas Birkenrinde und bat, unseren schönen Gedanken die Ewigkeit zu schenken. Gleich werde eine Hirtin vorüberwandeln, noch obendrein mit den Attributen der Künste und der Weisheit, wir möchten nur gut aufpassen, er wolle indessen mit den Schnitterinnen dort auf dem Felde idyllisieren. Darauf lief er fort.«

»Und ein altes schmutziges Bauernweib schleppte ihren Milcheimer vorüber«, sagte Louis lachend, »der Hen­ker weiß, wie sie aussah. Sie hatte ihren Rock wohl mit zwanzig Lappen von verschiedenen Farben dekoriert. Unter den Attributen verstand er wahrscheinlich einen alten verdorrten Gänseflügel, den sie draußen irgendwo aufgelesen hatte.«

»So ist er wohl jetzt auf dem Felde«, sagte Therese.

»Ich habe von der Mauer das ganze Feld übersehen und kann ihn nicht bemerken.«

Das Piketspiel war geendigt; Bendraet hatte verloren und stand mißmutig auf. Da trat Klemens herein, die blonden Locken verwirrt um das glühende Gesicht.

»Maria Magdalena, wo bist du so lange gewesen?« fragte Julie.

»In meinem Rocke«, antwortete er.

»Aber, mein Gott, wie ist dir, hast du Lust zu lachen oder zu weinen?«

»Ich habe Lust, dir die Haut über die Ohren zu ziehn«, versetzte er noch halb unwirsch und brach nun je mehr und mehr in ein unaufhaltsames Gelächter aus. Er rettete sich in das Fenster zu den übrigen jungen Leuten und redete leise und lebhaft zu ihnen. Die lustige Stimmung nahm auch dort überhand, und man sah, daß er geneckt wurde. Die Schloßuhr schlug fünf. Warneck wollte Abschied nehmen und nach Schnellenfort zurückkehren, aber Frau von Bendraet bat ihn, zuvor mit ihnen zu Abend zu essen.

»Wenn Sie nicht zu Nacht bleiben«, versetzte er.

»Es ist doch nur ein halbes Stündchen von Lünden bis Schnellenfort, und der Mond scheint ja hell.«

»Sie müssen uns auch noch allerlei erzählen von Ihrer Reise«, fiel Elise ein.

»Ach, das meiste wissen Sie«, versetzte Warneck. »Doch«, setzte er lachend hinzu, »die merkwürdigste mir auf meinen Reisen vorgekommene Erscheinung habe ich noch nicht erwähnt. Ich habe sie in den südlichsten Gegenden Frankreichs beobachtet, wo sie sich noch seltsamer ausnahm, wie wenn es sich hier fände.«

»Nun?« sagte Julie.

Warneck stockte lächelnd ein Weilchen, dann sagte er: »Eine Frau, die ihrem Manne nie widersprochen hat.«

»Führen Sie die Leute nicht an«, sagte Julie getäuscht lachend, und Türk rief: »Hören Sie wohl, Warneck? Fräulein Julie hält Ihre Seltenheit für erdichtet.«

»Ich glaube

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