Biographie Theodor Fontane (Seite 4)

Ende September 1849 ist die Arbeit in Bethanien beendet. Fontanes berufliche und finanzielle Situation ist alles andere als rosig, als er einen ebenso mutigen wie einschneidenden Entschluss fasst: Er gibt die pharmazeutische Karriere auf und kündigt sogar der Dresdner Zeitung, die ihm für seine Berichte immerhin noch ein schmales Honorar zahlte. In einem kleinen möblierten Zimmer konzentriert er sich ausschließlich auf seine literarische Arbeit und produziert vor allem die bewährten Balladen. Hin und wieder erreicht er einen Abdruck in einer Zeitung. Im Dezember 1849 erscheinen seine ersten beiden Bücher Männer und Helden. Acht Preußenlieder und der Romanzenzyklus Von der schönen Rosamunde. Im folgenden Jahr veröffentlicht er einen Band Gedichte.

Das Jahr 1850 bringt eine weitere Wende: Ein Tunnel-Freund verhilft Fontane zu einer Anstellung im 'Literarischen Kabinett', das später 'Centralstelle für Preußenangelegenheiten' heißt, einer Art Propaganda-Abteilung des preußischen Innenministers, die der Presse die ,richtigen' Artikel liefern soll. Am 16. Oktober 1850 heiratet Fontane Emilie Rouanet-Kummer, und am 14. August 1851 wird sein erster (legitimer) Sohn George Emile geboren. Anfang 1852 führt sein Freund Bernhard von Lepel ihn in den Salon der Mathilde von Rohr ein. Sie wird für Fontane zur Vertrauten in allen schwierigen Situationen des Lebens und zur wichtigsten Briefpartnerin.

Die berufliche Situation sieht Fontane ganz und gar nicht positiv: "Ich habe mich heute der Reaction für monatlich 30 Silberlinge verkauft [...]. Man kann nun mal als anständiger Mensch nicht durchkommen." Seine Tätigkeit besteht darin, für die Preußische Zeitung, genannt Adler-Zeitung, die englische Presse auszuwerten. Fontane erreicht, dass er diese Tätigkeit ab April 1852 in London fortsetzen darf – allerdings ohne Gehalt vom Ministerium, obwohl er offizieller Presseberichterstatter ist. In London macht er die Bekanntschaft einer ganzen Reihe von flüchtigen Aktivisten der gescheiterten 48er Revolution, die hier Asyl gefunden haben. Einige Zeit ist Fontane am Tavistock Square sogar unmittelbarer Nachbar von Charles Dickens, den er jedoch nicht aufzusuchen wagt.

Am 25. September kehrt Fontane nach Berlin zurück, wo er wieder bei der Pressestelle des Innenministeriums für die Adler-Zeitung arbeitet. Im Oktober 1853 verbessert er seine dortige Stellung und wird zum England-Spezialisten der Zeitung – d. h., er verfasst aufgrund von Artikeln in englischen Zeitungen eigene Beiträge über England. Nebenbei ist er Hauslehrer für die Kinder besserer Familien. Im Juli 1854 veröffentlicht Fontane ein Buch über seine Englandreise, Ein Sommer in London, und gibt zusammen mit seinem Freund Franz Kugler das erste Jahrbuch des Tunnels namens Argo heraus, zu dem unter anderem Theodor Storm und Paul Heyse Beiträge liefern. Von ihm selbst erscheinen zwei Erzählungen: Tuch und Locke und Goldene Hochzeit.

Mathilde von Rohr
Mathilde von Rohr (1810 – 1889).
Sie war für Fontane nicht nur eine enge Freundin und Briefpartnerin, er verdankte ihren weitläufigen Kenntnissen vieles, was er in seinen Wanderungen sowie in Erzählungen und Romanen verarbeitete.

»Sie war gut, treu, praktisch, hilfsbereit, immer das Herz auf dem rechten Fleck, immer voll gutem Menschenverstand, immer gerecht. Alles Gewöhnliche, namentlich alles Inhumane war ihr in tiefster Seele verhaßt [...] und ihre schlichten, immer aus der Lebenserfahrung heraus gesprochenen Sätze haben durch ein Menschenalter hin einen großen Einfluß auf mich gehabt.«

Fontane über Mathilde von Rohr im Vorwort zu einer späteren Auflage der ‘Wanderungen’.

Charles Dickens
Charles Dickens im Jahr 1849.

Seit seiner Zeit als Apothekergeselle las Fontane das Werk Dickens’, durch den sein Verständnis von Literatur als zeit- und sozialkritisches Instrument beeinflußt wurde – wenngleich er ihm später vorwarf, daß er »in Novellen demokratisiert und Dinge behandelt, von denen er nichts versteht«.

Zitiert nach Helmuth Nürnberger: ’Der frühe Fontane’.