Ungekürztes Werk "Das Marmorbild" von Joseph von Eichendorff (Seite 4)

seine Gitarre und sang:

 

»Was klingt mir so heiter

Durch Busen und Sinn?

Zu Wolken und weiter,

Wo trägt es mich hin?

 

Wie auf Bergen hoch bin ich

So einsam gestellt

Und grüße herzinnig,

Was schön auf der Welt.

 

Ja, Bacchus, dich seh' ich,

Wie göttlich bist du!

Dein Glühen versteh' ich,

Die träumende Ruh.

 

O rosenbekränztes

Jünglingsbild,

Dein Auge, wie glänzt es,

Die Flammen so mild!

 

Ist's Liebe, ist's Andacht,

Was so dich beglückt?

Rings Frühling dich anlacht,

Du sinnest entzückt. –

 

Frau Venus, du frohe,

So klingend und weich,

In Morgenrots Lohe

Erblick' ich dein Reich

 

Auf sonnigen Hügeln

Wie ein Zauberring.

Zart' Bübchen mit Flügeln

Bedienen dich flink,

 

Durchsäuseln die Räume

Und laden, was fein,

Als goldene Träume

Zur Königin ein.

 

Und Ritter und Frauen

Im grünen Revier

Durchschwärmen die Auen

Wie Blumen zur Zier.

 

Und jeglicher hegt sich

Sein Liebchen im Arm,

So wirrt und bewegt sich

Der selige Schwarm.«

 

Hier änderte er plötzlich Weise und Ton und fuhr fort:

 

»Die Klänge verrinnen,

Es bleichet das Grün,

Die Frauen stehn sinnend,

Die Ritter schaun kühn.

 

Und himmlisches Sehnen

Geht singend durchs Blau,

Da schimmert von Tränen

Rings Garten und Au.

 

Und mitten im Feste

Erblick' ich, wie mild!

Den stillsten der Gäste.

Woher, einsam Bild?

 

Mit blühendem Mohne,

Der träumerisch glänzt,

Und Lilienkrone

Erscheint er bekränzt.

 

Sein Mund schwillt zum Küssen

So lieblich und bleich,

Als brächt' er ein Grüßen

Aus himmlischem Reich.

Eine Fackel wohl trägt er,

Die wunderbar prangt.

›Wo ist einer‹, frägt er,

›Den heimwärts verlangt?‹

 

Und manchmal da drehet

Die Fackel er um –

Tief schauend vergehet

Die Welt und wird stumm.

 

Und was hier versunken

Als Blumen zum Spiel,

Siehst oben du funkeln

Als Sterne nun kühl. –

 

O Jüngling vom Himmel,

Wie bist du so schön!

Ich lass' das Gewimmel,

Mit dir will ich gehn!

 

Was will ich noch hoffen?

Hinauf, ach hinauf!

Der Himmel ist offen,

Nimm, Vater, mich auf!«

 

Fortunato war still und alle die übrigen auch, denn wirklich, draußen waren nun die Klänge verronnen und die Musik, das Gewimmel und alle die gaukelnde Zauberei nach und nach verhallend untergegangen vor dem unermeßlichen Sternenhimmel und dem gewaltigen Nachtgesange der Ströme und Wälder. Da trat ein hoher, schlanker Ritter in reichem Geschmeide, das grünlichgoldene Scheine zwischen die im Winde flackernden Lichter warf, in das Zelt herein. Sein Blick aus tiefen Augenhöhlen war irre flammend, das Gesicht schön, aber blaß und wüst. Alle dachten bei seinem plötzlichen Erscheinen unwillkürlich schaudernd an den stillen Gast in Fortunatos Liede. Er aber begab sich nach einer flüchtigen Verbeugung gegen die Gesellschaft zu dem Büffett des Zeltwirtes und schlürfte hastig dunkelroten Wein mit den bleichen Lippen in langen Zügen hinunter.

Florio fuhr ordentlich zusammen, als der Seltsame sich darauf vor allen andern zu ihm wandte und ihn als einen früheren Bekannten in Lucca willkommen hieß. Erstaunt und nachsinnend betrachtete er ihn von oben bis unten, denn er wußte sich durchaus nicht zu erinnern, ihn jemals gesehn zu haben. Doch war der Ritter ausnehmend beredt und sprach viel über mancherlei Begebenheiten aus Florios früheren Tagen. Auch war er so genau bekannt mit der Gegend seiner Heimat, dem Garten und jedem heimischen Platz, der Florio herzlich lieb war aus alter Zeit, daß sich derselbe bald mit der dunkeln Gestalt auszusöhnen anfing.

In die übrige Gesellschaft indes schien Donati, so nannte sich der Ritter, nirgends hineinzupassen. Eine ängstliche Störung, deren Grund sich niemand anzugeben wußte, wurde überall sichtbar. Und da unterdes auch die Nacht nun völlig hereingekommen war, so brachen bald

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