Ungekürztes Werk "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane (Seite 79)

hinunter.

Auf dem Bocke saßen Ordonnanz Baarsch und der Groom, von denen jeder sich's eigens ausbedungen hatte, seinen Rittmeister und Gutsherrn an diesem seinem Ehrentage fahren zu dürfen. Was denn auch ohne weiteres bewilligt worden war. Als der Wagen aus der Behren- in die Wilhelmstraße einbog, gab es einen Ruck oder Schlag, ohne daß ein Stoß von unten her verspürt worden wäre.

“Damn”, sagte Groom. “What's that?”

“Wat et is? Wat soll et sind, Kleener? En Steen is et; en doter Feldwebel.”

“Oh no, Baarsch. Nich stone. 't was something ... dear me ... like shooting.”

“Schuting? Na nu.”

“Yes; pistol-shooting ...”

Aber der Satz kam nicht mehr zu Ende, denn der Wagen hielt vor Schachs Wohnung, und der Groom sprang in Hast und Eile vom Bock, um seinem Herrn beim Aussteigen behilflich zu sein. Er öffnete den Wagenschlag, ein dichter Qualm schlug ihm entgegen, und Schach saß aufrecht in der Ecke, nur wenig zurückgelehnt. Auf dem Teppich zu seinen Füßen lag das Pistol. Entsetzt warf der Kleine den Schlag wieder ins Schloß und jammerte: “Heavens, he is dead.”

Die Wirtsleute wurden alarmiert, und so trugen sie den Toten in seine Wohnung hinauf.

Baarsch fluchte und flennte und schob alles auf die “Menschheit”, weil er's aufs Heiraten zu schieben nicht den Mut hatte. Denn er war eine diplomatische Natur wie alle Bauern.

20

Bülow an Sander

Königsberg, 14. Sept. 1806. ... Sie schreiben mir, lieber Sander, auch von Schach. Das rein Tatsächliche wußte ich schon, die Königsberger Zeitung hatte der Sache kurz erwähnt, aber erst Ihrem Briefe verdank ich die Aufklärung, soweit sie gegeben werden kann. Sie kennen meine Neigung (und dieser folg ich auch heut), aus dem Einzelnen aufs Ganze zu schließen, aber freilich auch umgekehrt aus dem Ganzen aufs Einzelne, was mit dem Generalisieren zusammenhängt. Es mag das sein Mißliches haben und mich oft zu weit führen. Indessen, wenn jemals eine Berechtigung dazu vorlag, so hier, und speziell Sie werden es begreiflich finden, daß mich dieser Schach-Fall, der nur ein Symptom ist, um eben seiner symptomatischen Bedeutung willen aufs ernsteste beschäftigt. Er ist durchaus Zeiterscheinung, aber, wohlverstanden, mit lokaler Begrenzung, ein in seinen Ursachen ganz abnormer Fall, der sich in dieser Art und Weise nur in Seiner Königlichen Majestät von Preußen Haupt- und Residenzstadt, oder, wenn über diese hinaus, immer nur in den Reihen unsrer nachgeborenen friedericianischen Armee zutragen konnte, einer Armee, die statt der Ehre nur noch den Dünkel, und statt der Seele nur noch ein Uhrwerk hat – ein Uhrwerk, das bald genug abgelaufen sein wird. Der große König hat diesen schlimmen Zustand der Dinge vorbereitet, aber daß er so schlimm werden konnte, dazu mußten sich die großen Königsaugen erst schließen, vor denen bekanntermaßen jeder mehr erbangte, als vor Schlacht und Tod.

Ich habe lange genug dieser Armee angehört, um zu wissen, daß ‚Ehre‘ das dritte Wort in ihr ist; eine Tänzerin ist scharmant ‚auf Ehre‘, eine Schimmelstute magnifique ‚auf Ehre‘, ja, mir sind Wucherer empfohlen und vorgestellt worden, die süperb ‚auf Ehre‘ waren. Und dies beständige Sprechen von Ehre, von einer falschen Ehre, hat die Begriffe

Seiten