Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 5)

Daß er zu dir hält, ist doch bloß, weil er dir den katholischen Unsinn ausgetrieben und einen Platz im Himmel, ja vielleicht an seiner Seite, gewonnen hat. Denn mit meinem Anspruch auf Himmel ist´s nicht weit her.«

Und so blieb denn das Los auf dem Ständer, und erst als die Ziehung vorüber war, zerriß es Hradscheck und streute die Schnitzel in den Wind. Er war aber auch jetzt noch, all seinem spöttischüberlegenen Gerede zum Trotz, so schwach und abergläubisch, daß er den Schnitzeln in ihrem Fluge nachsah, und als er wahrnahm, daß einige die Straße hinauf bis an die Kirche geweht wurden und dort erst niederfielen, war er in seinem Gemüte beruhigt und sagte: »Das bringt Glück.«

Zugleich hing er wieder allerlei Gedanken und Vorstellungen nach, wie sie seiner Phantasie jetzt häufiger kamen. Aber er hatte noch Kraft genug, das Netz, das ihm diese Gedanken und Vorstellungen überwerfen wollten, wieder zu zerreißen.

»Es geht nicht.«

Und als im selben Augenblick das Bild des Reisenden, dessen Anmeldung er jetzt täglich erwarten mußte, vor seine Seele trat, trat er erschreckt zurück und wiederholte nur so vor sich hin: »Es geht nicht.«

So war Mitte Oktober herangekommen.

Im Laden gab´s viel zu tun, aber mitunter war doch ruhige Zeit, und dann ging Hradscheck abwechselnd in den Hof, um Holz zu spellen, oder in den Garten, um eine gute Sorte Tischkartoffeln aus der Erde zu nehmen. Denn er war ein Feinschmecker. Als aber die Kartoffeln heraus waren, fing er an, den schmalen Streifen Land, darauf sie gestanden, umzugraben. Überhaupt wurde Graben und Gartenarbeit mehr und mehr seine Lust, und die mit dem Spaten in der Hand verbrachten Stunden waren eigentlich seine glücklichsten.

Und so beim Graben war er auch heute wieder, als die Jeschke, wie gewöhnlich, an die die beiden Gärten verbindende Heckentür kam und ihm zusah, trotzdem es noch früh am Tage war.

»De Tüffeln sinn joa nu rut, Hradscheck.«

»Ja, Mutter Jeschke, seit vorgestern. Und war diesmal ´ne wahre Freude; mitunter zwanzig an einem Busch und alle groß und gesund.«

»Joa, joa, wenn een´s Glück hebben sall. Na, Se hebben´t Hradscheck. Se hebben Glück bi de Tüffeln un bi de Malvesieren ook. J, Se möten joa woll ´n Scheffel ´runnergepflückt hebb´n.«

»O mehr, Mutter Jeschke, viel mehr.«

»Na bereden Se´t nich, Hradscheck. Nei, nei. Man sall nix bereden. Ook sien Glück nich.«

Und damit ließ sie den Nachbar stehen und humpelte wieder auf ihr Haus zu.

Hradscheck aber sah ihr ärgerlich und verlegen nach. Und er hatte wohl Grund dazu. War doch die Jeschke, so freundlich und zutulich sie tat, eine schlimme Nachbarschaft und quacksalberte nicht bloß, sondern machte auch sympathetische Kuren, besprach Blut und wußte, wer sterben würde. Sie sah dann die Nacht vorher einen Sarg vor dem Sterbehause stehen. Und es hieß auch, »sie wisse, wie man sich unsichtbar machen könne«, was, als Hradscheck sie seinerzeit danach gefragt hatte, halb von ihr bestritten und dann halb auch wieder zugestanden war. »Sie wisse es nicht; aber das wisse sie, daß frisch ausgelassener Lammtalg gut sei, versteht sich: von einem ungeborenen Lamm und als Licht über

Seiten