Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 4)

aufschwingen, lasset ihn geistlich werden!« – Meine Mutter konnte nicht genug sagen, welchen tiefen unauslöschlichen Eindruck die Worte des Pilgers auf sie gemacht hatten; sie beschloß aber dem unerachtet, meiner Neigung durchaus keinen Zwang anzutun, sondern ruhig abzuwarten, was das Geschick über mich verhängen und wozu es mich leiten würde, da sie an irgendeine andere höhere Erziehung, als die sie selbst mir zu geben imstande war, nicht denken konnte. –

Meine Erinnerungen aus deutlicher, selbst gemachter Erfahrung heben von dem Zeitpunkt an, als meine Mutter auf der Heimreise in das Zisterzienser-Nonnenkloster gekommen war, dessen gefürstete Äbtissin, die meinen Vater gekannt hatte, sie freundlich aufnahm. Die Zeit von jener Begebenheit mit dem alten Pilger, welche ich in der Tat aus eigener Anschauung weiß, so daß sie meine Mutter nur rücksichts der Reden des Malers und des alten Pilgers ergänzt hat, bis zu dem Moment, als mich meine Mutter zum erstenmal zur Äbtissin brachte, macht eine völlige Lü />

Zweiter Abschnitt

DER EINTRITT IN DIE WELT

In blauen Duft gehüllt, lag das Kloster unter mir im Tale; der frische Morgenwind rührte sich und trug, die Lüfte durchstreichend, die frommen Gesänge der Brüder zu mir herauf. Unwillkürlich stimmte ich ein. Die Sonne trat in flammender Glut hinter der Stadt hervor, ihr funkelndes Gold erglänzte in den Bäumen, und in freudigem Rauschen fielen die Tautropfen wie glühende Diamanten herab auf tausend bunte Insektlein, die sich schwirrend und sumsend erhoben. Die Vögel erwachten und flatterten, singend und jubilierend und sich in froher Lust liebkosend, durch den Wald! – Ein Zug von Bauernburschen und festlich geschmückter Dirnen kam den Berg herauf. »Gelobt sei Jesus Christus!« riefen sie, bei mir vorüberwandelnd. »In Ewigkeit!« antwortete ich, und es war mir, als trete ein neues Leben voll Lust und Freiheit mit tausend holdseligen Erscheinungen auf mich ein! – Nie war mir so zumute gewesen, ich schien mir selbst ein andrer und, wie von neuerweckter Kraft beseelt und begeistert, schritt ich rasch fort durch den Wald, den Berg herab. Den Bauer, der mir jetzt in den Weg kam, frug ich nach dem Orte, den meine Reiseroute als den ersten bezeichnete, wo ich übernachten sollte; und er beschrieb mir genau einen nähern, von der Heerstraße abweichenden Richtsteig mitten durchs Gebirge. Schon war ich eine ziemliche Strecke einsam fortgewandelt, als mir erst der Gedanke an die Unbekannte und an den fantastischen Plan, sie zu suchen, wiederkam. Aber ihr Bild war wie von fremder, unbekannter Macht verwischt, so daß ich nur mit Mühe die bleichen, entstellten Züge wiedererkennen konnte; je mehr ich trachtete, die Erscheinung im Geiste festzuhalten, desto mehr zerrann sie im Nebel. Nur mein ausgelassenes Betragen im Kloster nach jener geheimnisvollen Begebenheit stand mir noch klar vor Augen. Es war mir jetzt selbst unbegreiflich, mit welcher Langmut der Prior das alles ertragen und mich statt der wohlverdienten Strafe in die Welt geschickt hatte. Bald war ich überzeugt, daß jene Erscheinung des unbekannten Weibes nur eine Vision gewesen, die Folge gar zu großer Anstrengung, und statt, wie ich sonst getan haben würde, das verführerische,

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