Literaturepoche Exil / Innere Emigration / Nazi-Literatur (Seite 3)

In der nationalsozialistischen und völkisch-konservativen Prosa des Dritten Reiches dominierte der Geschichts- den Gegenwartsroman. Themen waren das mittelalterliche Kaiserreich, die Bauernkriege, die preußische Geschichte bzw. die Figur Friedrich des Großen und die sog. Befreiungskriege, d.h. die antinapoleonischen Interventionskriege. Weiter erschienen jede Menge romanhafte Bücher über Hitler und andere nationalsozialistische Führer, wie der sehr erfolgreiche Roman von Hanns Heinz Ewers (1871-1943) über Horst Wessel. Ein wichtiges Genre - auch im Hinblick auf die Kriegsrüstung der Nationalsozialisten - stellten die nationalistischen Weltkriegsromane dar, die bereits in den Jahren der Weimarer Republik verbreitet waren, damals aber erschienen auch berühmte Anti-Kriegsromane wie „Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque (1898-1970). Ähnlich wie der Kriegsroman diente auch der völkische Bauernroman propagandistischen Zwecken, der Verherrlichung von Blut und Boden. Dabei griff man auch auf frühe Vorbilder zurück: Hermann Löns‘ (1866-1914) damals weit verbreiteter Bauernroman aus dem Dreißigjährigen Krieg, „Der Wehrwolf" (1910) bot ideologische Rechtfertigung und praktische Anleitung für den Partisanenkampf. Im Zusammenhang mit dem konservativen Frauenbild der Nationalsozialisten (das traditionelle Bild der Hausfrau und Mutter wurde erst aufgegeben, als Kriegsrüstung und -führung auch den Einbezug von Mädchen und Frauen forderte) ist der Frauenroman zu erwähnen, der ebenfalls hohe Auflagen erzielte. Einer der „Bestseller" war Kuni Tremel-Eggerts (1889-1957) „Barb. Der Roman einer deutschen Frau" (1933), ein Roman, der sich noch heute in manchen Stadtbibliotheken findet.

Unter den kleinen Prosagattungen wurde v.a. die Anekdote intensiv genutzt zur propagandistischen Verbreitung nationaler Helden-Mythen. Wilhelm Schäfers(1868-1952) „Wendekreis neuer Anekdoten" (1937), Hans Francks (1879-1964) „Das Königsduell und andere Anekdoten" (1941) oder Josef Wincklers (1881-1966) „Die goldene Kiepe" (1939) sind hier zu nennen.
Die Lyrik von völkischen und nationalsozialistischen Autoren knüpfte häufig an lyrische Traditionen des 18. und 19. Jahrhunderts an. Das gilt z.B. für die Balladendichterin (und Autorin historischer Erzählungen) Agnes Miegel (1879-1964). Die wichtigste Gattung ist wohl das in zahlreichen Sammlungen verbreitete Gemeinschaftslied. Gemeinsames Marschieren und Singen sollte das Wir-Gefühl stärken - d.h. auch hier dominierten propagandistische und didaktische Intentionen.

Mit ihrer Förderung und Propagandierung völkisch-konservativer Literatur auf der einen Seite und den Kontroll-, Verbots- und Unterdrückungsmaßnahmen demokratisch-humanistischer und sozialistisch-antifaschistischer Literatur auf der anderen Seite gaben die Nationalsozialisten den Rahmen vor, innerhalb dessen sich auch die nicht-systemkonforme Literatur zu bewegen hatte. Genausowenig wie die im Exil entstandene Literatur lässt sich die nicht-systemkonforme Literatur im Dritten Reich als homogenes Feld beschreiben. Um die Sanktionen zu umgehen und den noch verbleibenden Spielraum zu nutzen, bildeten Autoren, die trotzdem veröffentlichen wollten, verschiedene Formen der „verdeckten Schreibweise" (Dolf Sternberger) aus. Dies konnte nur gelingen, wenn ihre Texte bei vordergründiger Eindeutigkeit eine untergründige Mehrdeutigkeit transportierten, also literarisch „überstrukturiert" waren, komplex und ästhetisch anspruchsvoll. Dies ist in unterschiedlicher Weise gelungen. Diese für die sogenannte Innere Emigration - also die Veröffentlichung von Werken der „verdeckten Schreibweise" oder das Schreiben für die Schublade - typischen Genres waren historische Stoffe einerseits und das Naturgedicht andererseits.

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