Literaturepoche Von der Jahrhundertwende bis 1933 (Seite 4)

Eine extrem anti-bürgerliche Haltung nahm eine Gruppe von pazifistisch eingestellten Schriftstellern und Künstlern ein, die sich 1915 in Zürich als Dada konstituierte. Ihr Protest gegen die gesellschaftlichen Zustände, die letztlich auch für den Krieg verantwortlich waren, äußerte sich in einer völligen Verweigerung der vorhandenen ästhetischen Konventionen. Statt des expressionistischen Pathos setzten die Dadaisten – zu denen u. a. Hugo Ball (1886–1927), Raoul Hausmann (1886–1971), Hans Arp (1887–1966) und Kurt Schwitters (1887–1948) gehörten – Unlogik und Zufall als Mittel poetischer Produktion ein. Zeitschriften mit anarchistisch-skurrilen Beiträgen, Collagen, Lautgedichte bedeuteten eine permanente Provokation für die bildungsbürgerliche Literatur- und Kunstauffassung, deren Postulat nach sinnstiftenden Werken radikal mißachtet wurde. Bald entstanden auch Dada-Gruppen in anderen Städten; vor allem Berlin und Köln wurden zu Dada-Zentren, in Paris ging der Dada-Kreis in den Surrealismus auf.

Kann Dada vor allem in formaler Hinsicht als logische Konsequenz der expressionistischen Bewegung angesehen werden, so fand das Ringen um ein neues Menschenbild auch sein Echo bei einer ganzen Reihe von Schriftstellern, die im weiteren Sinne die soziale Problematik in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellten. So z. B. bei Bertolt Brecht (1898–1956), dessen frühe Werke (Baal, 1919; Trommeln in der Nacht, 1922) expressionistische Musterbeispiele sind. Mit Mann ist Mann (1927) beginnt die Umsetzung einer konkreten politischen Botschaft auf der Bühne: Neben zahlreichen marxistischen »Lehrstücken« schreibt er in der Zeit vor 1933 Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1929), Die heilige Johanna der Schlachthöfe (1930) und die Dreigroschenoper (1931) – sie stehen für das ‘epische Theater’, jene von Brecht entwickelte Form, bei der durch gezielte Verfremdung (Songs, Zwischentitel etc.) dem Zuschauer die Illusion eines ‘wirklichen’ Geschehens auf der Bühne genommen werden soll.

Ohne, wie Brecht, eine bestimmte politische Position zu vertreten, aber ebenfalls mit gesellschaftskritischer Motivation, schrieb Carl Zuckmayer (1896–1977) nach expressionistischen Anfängen (Kreuzweg,1921) eine Reihe ins Volkstümlich-Derbe gehender Stücke, darunter Der fröhliche Weinberg (1925) und Schinderhannes (1927). Seine Komödie Der Hauptmann von Köpenick (1931) hat sich bis zur Gegenwart auf den Spielplänen gehalten.

Seiten