Literaturepoche Nachkriegsliteratur (1945-1968) (Seite 5)

Im Gegensatz zur Bundesrepublik bildete sich in der DDR der 50er Jahre eine relativ homogene, vom Staat gesteuerte und reglementierte Literatur heraus. Zwei Hauptthemen sind in dieser Phase zu erkennen: Einerseits wurden die Romane aus den 40er Jahren fortgeführt, die sich mit Faschismus und Widerstand beschäftigten, wofür Bruno Apitz’ Buchenwald-Roman Nackt unter Wölfen (1958) das bekannteste Beispiel ist. Andererseits sollte die Literatur in der DDR als Planfaktor beim Aufbau des Sozialismus dienen, weshalb zahlreiche sogenannte „Aufbau“-Romane entstanden; unter ihnen Eduard Claudius’ Menschen an unserer Seite (1951) und Roheisen (1955) von Hans Marchwitza. Erst allmählich wandte sich die Literatur auch zeitaktuellen Themen zu. Nachdem 1959 auf der „Bitterfelder Konferenz“ eine stärkere Verbindung, ein Schulterschluss, zwischen Schriftstellern und Arbeitern gefordert worden war, um die bürgerliche Literatur zu überwinden, wurden Anfang der 60er Jahre verstärkt auch politische, durchaus auch sozialkritische Fragestellungen thematisiert. So erzählt Erik Neutschs Roman Die Spur der Steine (1964) vom anarchischen Brigadier Balla und dessen Bauarbeitertruppe. Noch konkreter äußert sich der Schriftsteller Hermann Kant. Formal wie inhaltlich stellt sein Roman Die Aula (1963) eine Abkehr von den starren Konventionen des sozialistischen Realismus dar. Sein Ich-Erzähler berichtet über den Aufbau der Arbeiter- und Bauern-Fakultät, einem Aufbau, der von Erfolgen wie Misserfolgen geprägt ist. Doch den wohl bekanntesten Roman – auch über die Grenzen der DDR hinaus – legte Christa Wolf mit Der geteilte Himmel (1963) vor. Darin thematisiert sie die Kluft zwischen beiden deutschen Staaten, die durch den Bau der Berliner Mauer zwei Jahre zuvor zementiert wurde. Der Roman endet zwar mit einem Bekenntnis der Hauptfigur zur bestehenden DDR-Gesellschaft, doch trotz dieses ideologisch versöhnlichen Ausklangs ist seine politische Brisanz kaum abzustreiten.

Auch in Westdeutschland kam es Anfang der 60er Jahre zu einer zunehmenden Politisierung der Literatur. Das allmähliche Ende des „Wirtschaftswunders“ der 50er Jahre und der Bau der Mauer waren zwei maßgebliche Gründe für die gesellschaftliche Krise dieser Jahre. Den längst etablierten Literaten der Gruppe 47 warf man nun vor, die aktuellen politischen und sozialen Verhältnisse zugunsten ästhetischer und poetologischer Kriterien nicht adäquat abzubilden und nicht tief genug zu reflektieren.

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