Ungekürztes Werk "Galgenlieder" von Christian Morgenstern (Seite 4)

rupft sich einen Halm

und geht dann heim auf seine Alm.

  Das Mondschaf.

Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:

»Ich bin des Weltalls dunkler Raum.«

  Das Mondschaf.

Das Mondschaf liegt am Morgen tot.

Sein Leib ist weiß, die Sonn ist rot.

  Das Mondschaf.

Lunovis

Lunovis in planitie stat

Cultrumque magn' exspectitat.

  Lunovis.

Lunovis herba rapta it

In montes, unde cucurrit.

  Lunovis.

Lunovis habet somnium:

Se culmen rer' ess' omnium.

  Lunovis.

Lunovis mane mortuumst.

Sol ruber atque ips' albumst.

  Lunovis.

Das Mondschaf

Das Mondschaf sagt sich selbst gut Nacht,

d.h., es wurde überdacht

von seinem eigenen Denker:

Der übergibt dies alles sich

mit einem kurzen Federstrich

als seinem eigenen Henker.

Die Trichter

Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.

Durch ihres Rumpfs verengten Schacht

fließt weißes Mondlicht

still und heiter

auf ihren

Waldweg

u.s.

w.

Der Rabe Ralf

Der Rabe Ralf

  will will hu hu

dem niemand half

  still still du du

half sich allein

am Rabenstein

  will will still still

    hu hu

Die Nebelfrau

  will will hu hu

nimmts nicht genau

  still still du du

sie sagt nimm nimm

's ist nicht so schlimm

  will will still still

    hu hu

Doch als ein Jahr

  will will hu hu

vergangen war

  still still du du

da lag im Rot

der Rabe tot

  will will still still

    du du

file Fische

Galgenbruders Frühlingslied

Es lenzet auch auf unserm Spahn,

o selige Epoche!

Ein Hälmlein will zum Lichte nahn

aus einem Astwurmloche.

Es schaukelt bald im Winde hin

und schaukelt bald drin her.

Mir ist beinah, ich wäre wer,

der ich doch nicht mehr bin …

Des Galgenbruders Gebet und Erhörung

(Ein Nachtlied, im Jenseits vorzusingen)

Die Mond-Uhr wies auf halber ilf,

da rief ich laut: Gott hilf, Gott hilf!

Wie singt im nahen Röhricht

die Unke gar so töricht!

U u,u u,u u,u u –

So geht es immer und immerzu!

Ich kann solch lautes Grübeln

der Kröte nur verübeln.

So schweig doch still, verruchtes Maul!

Sonst freß dich gleich der Silbergaul!

Er frißt dich auf wie Hafer –

drum werde stiller, braver! …

– – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – –

Die Mond-Uhr wies dreiviertel ilf,

verweht war mein: Gott hilf, Gott hilf! –

Im nahen Röhricht aber

erschien der Silbertraber.

Das Problem

Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem

und sprach: »Ich heiße unbequem.

Als hieß ich etwa Drei-Vier

statt Sieben – Gott verzeih mir!«

Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt sich

von jenem Tag ab Dreiundzwanzig.

Neue Bildungen,

der Natur vorgeschlagen

Der Ochsenspatz

Die Kamelente

Der Regenlöwe

Die Turtelunke

Die Schoßeule

Der Walfischvogel

Die Quallenwanze

Der Gürtelstier

Der Pfauenochs

Der Werfuchs

Die Tagtigall

Der Sägeschwan

Der Süßwassermops

Der Weinpintscher

Das Sturmspiel

Der Eulenwurm

Der Giraffenigel

Das Rhinozepony

Die Gänseschmalzblume

Der Menschenbrotbaum.

Nachtbild

Es horcht ein Hofhund hinterm Zaun –

  (›Achtung! Hunde!‹)

Es horcht ein Hofhund hinterm Zaun

zur mitternächtigen Stunde.

Mit glühnden Augen steht der Hund

an einem Möbelwagen …

Der Mensch ist fort. Die Nacht ist rund

mit Sternen ausgeschlagen.

Der Tanz

Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule

trafen sich im Schatten einer Säule,

die im Geiste ihres Schöpfers stand.

Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze

reichten sich die zwei zum Tanze

Fuß und Hand.

Und auf seinen dreien rosa Beinen

hüpfte das Vierviertelschwein graziös,

und die Auftakteul auf ihrem einen

wiegte rhythmisch ihr Gekrös.

Und der Schatten fiel,

und der Pflanze Spiel

klang verwirrend melodiös.

Doch des Schöpfers Hirn war nicht von Eisen,

und die Säule schwand, wie sie gekommen war,

und so mußte denn auch unser Paar

wieder in sein Nichts zurücke reisen.

Einen

Seiten