Die Epoche des Biedermeiers und ihr Bezug zur Gegenwart

Von Nora Kreczy

Biedermeier, ein Bezeichnung die oft fälschlicher Weise auf antikes, wertvolles Mobiliar reduziert wird. Ungeachtet der eigentlichen Herkunft des Begriffes, handelt es sich doch eigentlich um eine Epoche zwischen der Hochblüte der Romantik, der Klassik und den Anfängen der Industriellen Revolution. Nach dem Sturz von Napoleon begann man damit Europa eine neue Ordnung zu geben. Für das Bürgertum jedoch brachte der Wiener Kongress 1815 nichts als herbe Endtäuschungen, denn bis zur Märzrevolution im Jahre 1880 war die Politik stark von restaurativen Tendenzen geprägt. Resigniert zogen sich die Bürger in ihr Eigenheim zurück, eingeschüchtert von dem draußen herrschenden Polizeistaat unter Fürst Metternich.

Gleichzeitig entstand gerade zu jener Zeit die Kaffeehauskultur, wie wir sie auch heute noch kennen und an die uns Kaffeehäuser wie das Sacher erinnern. Doch das ist längst nicht alles was uns von der Zeit des Vormärz geblieben ist.     Heute wie damals hat die Literatur jener Zeit die Aufgabe der unbefriedigenden Wirklichkeit eine heile poetische Welt entgegenzusetzen, in der man sich nach Belieben verlieren kann. Man orientiert sich an vergangener Größe, schreibt epigonale Werke.

Im krassen Gegenteil dazu stand der sogenannte Vormärz mit seinen liberalen, sozialpolitischen Werken, wie sie etwa das Junge Deutschland, eine Vereinigung von politisch engagierten Schriftstellern, verfasste. In einer Gesellschaft, die sich vor allem durch die fast schon apathische Gleichgültigkeit gegenüber jeglichen politischen Geschehnissen auszeichnete, bildeten sie die Ausnahme.

Das Bürgertum zog sich ins Eigenheim zurück, welches einen Gegentort zur fremdbestimmten Außenwelt bildete. Da man in der Politik nichts mehr mitzureden hatte, suchte man die Selbstverwirklichung im Privaten. Das eigene Zuhause bat die Möglichkeit der Individualität des einzelnen Ausdruck zu verleihen, ein gemütliches einzigartiges privates Reservat für das Familien und Gefühlsleben zu schaffen. So gründetet etwa das Weihnachtsfest wie wir es kennen, mit einem geschmückten Baum und Bescherung, im Biedermeier. Auch heute noch schmückt man sich gerne die Wohnung mit dem einen oder anderen Biedermeier-Objekt, denn gerade die Möbel sind für ihre schlichten, eleganten Linien berühmt. Wenig bekannt ist die Tatsache dass sich die sogenannte Moderne Kunst an eben diesen Formen orientiert. Doch nicht durch neumodische Kunstwerke hat sich dieses Design erhalten, sondern auch durch den berühmten Thonet-Stuhl, wie man ihn oft in Kaffeehäusern antrifft.

Gerade sie sind ein weiteres Zeugnis für den Rückzug aus einer feindlich gewordenen Umwelt, wie auch die unsere eine ist. Diese Orte der Zerstreuung und der Entspannung sind Sinnbilder der genießerischen Gemütlichkeitskultur des Biedermeiers und uns zum Glück erhalten geblieben ist, man denke nur an das Sacher. Weiters entdeckte man den Erholungswert der Natur für sich, brach zu Landpartien auf um dem Lärm Gestank und Staub der Stadt zumindest zeitweise zu entfliehen.

Im selben Maße haben auch Familienstruktur und Erziehungsmethodik bis heute überdauert. Die Tatsache, das Kindern das für sie typische „kindliche“ Verhalten zugesprochen wird, haben wir jener Epoche zu verdanken, ebenso die Aufteilung der Erziehung. Während es die Aufgabe der Familie ist jedem genug wissen über soziale Verhaltensweisen angedeihen zu lassen, übernimmt die Schule die Berufsausbildung.

Die Epoche des Biedermeier war eine Zeit in der den Menschen ein Kunststück gelang, an dem viele heute scheitern. Sie fanden einen Ausgleich, sie entdeckten die Freude an den kleinen Dingen des Lebens. Denn auch wenn diese nicht ganz so offensichtlich sein mögen wie die Großen, sind es sie, die für den Fortbestand der Welt sorgen. Sie erkannten den Wert all dessen, was unserem Gemüt entsprechend, also „gemütlich“ ist. Eine Denkweise also, wie sie auch uns keineswegs fremd ist, im Gegenteil, gerade unsere Zeit ist geprägt von dem Versuch sich ein Refugium zu schaffen, einen Ort der Entspannung in einem viel zu schnellen Lebenswandel. Ein Ort wie es ein Kaffeehaus eben ist.