Biographie Rainer Maria Rilke (Seite 7)
Endstation Schweiz
Rilke unternimmt die längst geplante Vortragsreise, die ihn zunächst nach Bern, dann an den Genfer See, nach Zürich und St. Gallen führt und schließlich, im Frühjahr 1920, im Schoß der Basler Familie Burckhardt mündet. Nach mehreren Reisen nach Venedig und Paris zieht sich Rilke für sechs lange Wintermonate auf Schloss Berg am Irchel zurück. Als er diese Idylle im Frühsommer 1921 wieder verlassen muss, bezieht Rilke nach verschiedenen Stationen und Einladungen schließlich den Turm des Château de Muzot, eines kleinen Schlosses aus dem 13. Jahrhundert, das in vollkommener Abgeschiedenheit oberhalb von Sierre im schweizerischen Wallis liegt. Hier kehrt seine Kreativität zurück und innerhalb kürzester Zeit entstehen die 55 „Sonette an Orpheus“ sowie die letzten sechs „Duineser Elegien“. Beide Bücher erscheinen 1923 und bilden den vielgerühmten Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens. Zwar legt Rilke nun die Feder noch nicht ganz aus der Hand, doch seine Gedichte der letzten Jahre, von denen viele in französischer Sprache verfasst sind, tragen eine andere Botschaft und folgenden keinem dichterischen Auftrag mehr.
Im Mai 1924 besucht Clara Rilke ihren Noch-Ehemann. Sie kommt zusammen mit ihrem Bruder Helmuth Westhoff und ahnt vielleicht, dass es ihr letzter Besuch bei Rilke sein wird. Im Dezember 1924 begibt sich der körperlich geschwächte Rilke in das nahegelegene Sanatorium Valmont. Trotz verschiedener kurzzeitiger Besserungen verschlechtert sich sein grundsätzlicher Gesundheitszustand zunehmend, ohne dass seine eigentliche Krankheit, eine seltene Form von Leukämie, bereits diagnostiziert worden wäre. Zwar entstehen in dieser Zeit weitere Gedichte, vor allem die meisten der in französischer Sprache verfassten, doch aufgrund seiner schweren Erkrankung unterbrechen immer wieder Sanatoriumsaufenthalte den künstlerischen Schaffensprozess. Die ersten Monate des Jahres 1925 verbringt Rilke nochmals Paris, im Herbst kehrt er nach Muzot zurück. Es geht ihm nun so schlecht, dass sein Aufenthaltsort ständig zwischen Muzot und dem Sanatorium in Valmont wechselt. Am 30. November 1926 kommt er zum letzten Mal in das Sanatorium, einen Monat später, am 29. Dezember 1926, stirbt Rilke mit nur 51 Jahren an seiner Leukämieerkrankung.
Am 2. Januar 1927 wird Rainer Maria Rilke auf eigenen Wunsch an der Bergkirche von Raron im Schweizer Kanton Wallis bestattet. Das Grab ist links und rechts von einer steinernen Einfassung umgeben. An der Kopfseite ist ein Gedenkstein in die Wand der Kirche eingelassen, davor trägt ein hölzernes Kreuz die Initialen R.M.R. und die Jahreszahlen 1875 und 1926. Die Gedenktafel trägt den von Rilke selbst gedichteten Grabesspruch: „Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.“
Stefan Zweig sagt am Schluss seiner Abschiedsrede über Rilke: „So leise wie er eintrat in jeden Raum, so verborgen wie der hinging durch unsere schaugierige Zeit, so leise ist er von uns gegangen. Er war krank und niemand hat es gewußt. Er starb hin und niemand hat es geahnt: auch dies Geheimnis seines Leidens, seines Krankseins, seines Sterbens, auch dies nahm er ganz in sich hinein um es dichterhaft und schön zu gestalten, um auch dieses letzte und langvorbereitete Werk rein zu vollenden: seinen eigenen Tod.“
1 Lou Andreas-Salomé: Lebensrückblick. Frankfurt/Main 1989, S. 114.
Verlobungsanzeige von Rainer Maria Rilke und Clara Rilke geb. Westhoff für ihre Tochter Ruth vom Oktober 1921.
Foto: Clarissa Höschel, mit freundlicher Genehmigung des Literaturarchivs Monacensia München, wo sich das Original dieser Verlobungsanzeige im Nachlass Regina Ullmann (Fotos 30) befindet.
Das Château de Muzot nach einer zeitgenössischen Ansichtskarte
Foto: Clarissa Höschel, mit freundlicher Genehmigung des Literaturarchivs Monacensia München, wo sich das Original dieser Ansichtskarte im Nachlass Regina Ullmann (Fotos 30) befindet.
Die Kirche von Raron, an deren Mauer Rainer Maria Rilke bestattet ist. Nach einer zeitgenössischen Ansichtskarte.
Foto: Clarissa Höschel, mit freundlicher Genehmigung des Literaturarchivs Monacensia München, wo sich das Original dieser Ansichtskarte im Nachlass Regina Ullmann (Fotos 30) befindet.