Biographie Jean Paul (Seite 5)
Aber man ist auf ihn aufmerksam geworden, und ein Jahr später erhält er von Charlotte von Kalb eine Einladung nach Weimar, der er eiligst nachkommt. "Gott sah gestern doch einen überglüklichen Sterblichen auf der Erde und der war ich [...]", berichtet er dem Freund Christian Otto nach seiner Ankunft. Und über Charlotte von Kalb weiß er zu berichten: "Sie hat zwei grosse Dinge, grosse Augen wie ich noch keine sah, und eine grosse Seele [...]. Sie ist stark, vol, auch das Gesicht – ich wil dir sie schon schildern. 3/4 der Zeit brachte sie mit Lachen hin – dessen Hälfte aber nur Nervenschwäche ist – und 1/4 mit Ernst, wobei sie die grossen fast ganz zugesunknen Augenlieder himlisch in die Höhe hebt, wie wenn Wolken den Mond wechselweise verhüllen und entblössen [...]. »Sie sind ein sonderbarer Mensch« das sagte sie mir dreissigmal. Ach hier sind Weiber!"
Offenbar ist sie sofort in ihn verliebt – und sie wird nicht die einzige sein. Wohin er kommt, hängen die Frauen, so scheint es, an seinen Lippen. Und er gibt, was er zu geben vermag, verliebt sich ebenfalls auf seine unbekümmert herzliche und gleichzeitig distanzierte Art, gibt Eheversprechen, verlobt sich, entlobt und entliebt sich, sobald die nächste kommt. "Er sagte oft: gebt mir zwei Tage oder eine Nacht, so will ich mich verlieben, in wen ihr vorschlagt", heißt es im Hesperus, und im Titan: "Solang' ein Weib liebt, liebt es in einem fort – ein Mann hat dazwischen zu tun". Karoline Herold, Emilie von Berlepsch, Karoline von Feuchtersleben oder Josephine von Sydow heißen die entflammten und schließlich zurückgewiesenen Opfer, bis er im Juni 1800 Karoline von Mayer trifft, mit der er kaum ein Jahr später verheiratet ist. Doch selbst noch im Alter von vierundfünfzig Jahren ist er imstande – während einer Reise nach Heidelberg, bei der ihm auf Vorschlag Hegels das Ehrendoktorat verliehen wird – der dreißig Jahre jüngeren Tochter des Kirchenrats Paulus den Kopf und das Herz zu verdrehen. "Ich habe seit 10 Jahren nicht so viel und so viele und so jugendlich empfindend geküßt als bisher [...]", schreibt er an seine Frau, die ihm recht ungehalten antwortet. Zur Scheidung allerdings kommt es nicht, und als Jean Paul im nächsten Jahr seinen Besuch wiederholt, zeigt er sich gegenüber Sophie Paulus freundlich, aber kalt, worauf sich die völlig verwirrte junge Frau überstürzt auf eine Ehe mit August Friedrich Schlegel einlässt. Einen Monat später trennt sie sich wieder von ihm und bleibt fortan allein.
Wie in allem, so auch hier: Jean Paul lebt, um zu schreiben; schreibend sich der Welt annähern, ohne sie einer Theorie gefügig zu machen, ohne sie wahrer, objektiver darzustellen, als sie in Wirklichkeit ist – dies ist es, was er will und tut. Jean Pauls Leben, ein vom Leben gelöstes Leben, beinhaltet beides: scheinbar unbeteiligt steht er über dem Leben, betrachtet es distanziert und ungerührt und kann sich im gleichen Moment unbefangen und kindlich-naiv ihm hingeben. Charlotte von Kalb beschreibt es in einem Brief an Karoline Herder folgendermaßen: