Interpretation "Der Grüne Heinrich" von Gottfried Keller

Nach seinem gescheiterten Kunststudium in München beabsichtigt Keller 1842, "einen traurigen kleinen Roman zu schreiben über den tragischen Abbruch einer jungen Künstlerlaufbahn, an welcher Mutter und Sohn zugrunde gingen."

Doch dazu kommt es vorerst nicht. Angeregt durch die engagierte Vormärz-Dichtung eines Herwegh, Grün oder Freiligrath entstehen u. a. die Lieder eines Autodidakten (1845) und Gedanken eines Lebendig-Begrabenen (1846). Noch in Zürich beginnt er 1846/47 mit der Niederschrift des Romans, doch erst während seines Aufenthalts in Heidelberg (1848–50) macht die Arbeit daran spürbare Fortschritte.

Kurz nach seiner Übersiedelung nach Berlin (1850) findet er mit Vieweg in Braunschweig einen Verleger für den Grünen Heinrich, der ihm bereits im Mai 1850 eine erste Honorarzahlung zukommen lässt. Keller steht nun unter Produktionsdruck. Im Juli 1851 ist schließlich Band I, im Dezember 1852 Band II und im Oktober 1853 Band III fertig; Weihnachten 1853 werden die ersten drei Bände des Grünen Heinrich veröffentlicht. Der vierte Band dauert länger, Keller kann ihn erst 1855 beenden – das letzte Kapitel habe er dabei "buchstäblich unter Tränen geschmiert"; noch im selben Jahr erscheint er.

Obwohl der Roman günstig beurteilt wird – so von Hermann Hettner, Varnhagen von Ense, später von Friedrich Theodor Vischer und Theodor Storm –, schlägt Hettner bereits 1854 die Umarbeitung in eine Autobiographie vor. Emil Kuh wiederholt später diesen Vorschlag und Keller macht sich 1878 schließlich an die Arbeit (unmittelbarer Anlaß dafür ist die seit 1875 geplante Neuausgabe des Grünen Heinrich bei Göschen in Stuttgart, wo bereits die Sieben Legenden und die Leute von Seldwyla erschienen sind).

Trotz gewisser Vorbehalte – "die autobiographische Form" sei "zu unpoetisch" und schließe "die souveräne Reinheit und Objektivität der wahren Dichtersprache" aus – entschließt sich Keller zur Vereinheitlichung der Erzählperspektive durch einen Ich-Erzähler und zur chronologischen Präsentation der Geschichte: die ersten drei Kapitel, der Abschied Heinrichs und die Reise nach München, fallen ganz weg, die Jugendgeschichte allerdings wird nahezu unverändert übernommen. Ansonsten will er "die Komposition [...] sorgfältiger ausbauen und abrunden und durch gute Ökonomie etwas knapper und dadurch pikanter halten." Diese Änderungen betreffen vor allem den vierten Band, den Keller in der Neufassung anekdotischer gestaltet, wobei er auf die oft langen Reflexionen, die Exkurse zu Metaphysik, Politik, Geschichte und Ethik, weitgehend verzichtet.

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