Biographie Georg Büchner (Seite 8)

Heutzutage ist das Mutieren eines Literaten zu einem Anatom wohl kaum nachvollziehbar; damals jedoch werden die Wissenschaftsbereiche nicht so scharf getrennt, und so sieht Büchner, der ja Medizin studiert und sich mit Philosophie beschäftigt hat, die Chance, in Zürich die Doktorwürde und eine Dozentur zu erhalten, und sucht sich "einen philosophischen oder naturhistorischen Gegenstand" (Brief an die Eltern vom Oktober 1835). Die Strassburger 'Société du Muséum d’histoire naturelle' lädt ihn zum Vortrag über seine Forschungsergebnisse ein und ist davon so angetan, dass sie auch die Drucklegung übernimmt. Die Arbeit erscheint 1837 unter dem Titel Mémoire sur le système nerveux du barbeau (Cyprinus barbus L.); eine Abschrift reicht Büchner bereits vorher bei der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich ein, die ihn daraufhin am 3. September 1836 zum Dr. phil. ernennt.

Im Wintersemester 1936/37 tritt er seine Vorlesungen über vergleichende Anatomie in Zürich an. Doch bis zu seiner Übersiedlung im Oktober gönnt er sich nicht etwa eine kleine Ruhepause, sondern stürzt sich wieder in seine (auch während seiner ichthiologischen Phase weiterbetriebenen) Studien der Philosophie. Allerdings nicht aus reiner Liebhaberei, wie eine Passage aus dem Brief an seinen Bruder Wilhelm vom 2. September 1836 belegt: "[...] und werde in Kurzem nach Zürich gehen, um in meiner Eigenschaft als überflüssiges Mitglied der Gesellschaft meinen Mitmenschen Vorlesungen über etwas ebenfalls höchst Überflüssiges, nämlich über die philosophischen Systeme der Deutschen seit Cartesius und Spinoza, zu halten."

Büchner trägt sich mit dem Gedanken, die venia legendi auch für Philosophie zu erlangen; da dieses Fach damals noch der gleichen Fakultät angehört wie Medizin, hätte die Doppelbefähigung einen großen Vorteil für ihn bedeutet.

Titelblatt von Büchners Dissertation
Titelblatt von Büchners Dissertation

»Die Natur handelt nicht nach Zwecken, sie reibt sich nicht in einer unendlichen Reihe von Zwecken auf, von denen der eine den anderen bedingt; sondern sie ist in allen ihren Äußerungen sich unmitelbar selbst genug. Alles, was ist, ist um seiner selbst willen da. Das Gesetz dieses Seins zu suchen, ist das Ziel der, der teleologischen gegenüberstehenden Ansicht, die ich die philosophische nennen will. Alles, was für jene Zweck ist, wird für diese Wirkung. [...] und so wird für die philosophische Methode das ganze körperliche Dasein des Individuums nicht zu seiner eigenen Erhaltung aufgebracht, sondern es wird die Manifestation eines Urgesetzes, eines Gesetzes der Schönheit, das [...] die höchsten und reinsten Formen hervorbringt.«

Georg Büchner: Über Schädelnerven. Probevorlesung in Zürich, 5. November 1836

Zürich. Blick von der Rathausbrücke.
Zürich. Blick von der Rathausbrücke.

»Die Straßen laufen hier nicht voll Soldaten, Accessisten und faulen Staatsdienern, man riskiert nicht von einer adligen Kutsche überfahren zu werden«

Georg Büchner, Brief an seine Familie vom 20. November 1836