Biographie Gottfried Keller (Seite 2)
Ordnung in sein Leben zu bringen versucht er im Sommer 1847, als er als Volontär in der Staatskanzlei des Kantons Zürich arbeitet. Davor allerdings liegen zwei Liebesaffären, die gleichermaßen enttäuschend verlaufen; die Frauen, Marie Melos und Luise Rieter, können dem nicht eben hünenhaften Keller nicht die rechte Zuneigung entgegenbringen. Ähnliches soll sich später auch mit Johanna Kapp und Betty Tendering wiederholen.
Das Jahr 1848 bringt für Keller eine entscheidende Wendung: die Züricher Regierung, aufmerksam geworden durch seine Aufsätze zu Literatur und Kunst, die im Cottaschen Kunstblatt, in der Neuen Zürcher Zeitung und in den Blättern für literarische Unterhaltung erschienen sind, verleiht ihm ein Stipendium für einen Studienaufenthalt in Heidelberg.
Von Oktober 1848 bis April 1850 hält er sich dort auf, geradezu überwältigt ist er von Ludwig Feuerbach, der dort philosophische Vorlesungen hält. "Ich werde tabula rasa machen [...] mit allen meinen bisherigen religiösen Vorstellungen, bis ich auf dem Feuerbachschen Niveau bin. Die Welt ist eine Republik, sagt er, und erträgt weder einen absoluten, noch einen konstitutionellen Gott [...]." Ein Jahr später ist der Taumel einer nüchternen Beurteilung gewichen: "Als ich Gott und Unsterblichkeit entsagte, glaubte ich zuerst, ich würde ein besserer und strengerer Mensch werden, ich bin aber weder besser noch schlechter geworden, sondern ganz, im Guten wie im Schlimmen, der Alte geblieben [...]."
Ein weiteres Stipendium des Kantons Zürich ermöglicht Keller 1850 nach Berlin zu gehen. Die Stadt selbst mag er allerdings nicht. "Es gibt auch keinen besseren Bußort und Korrektionsanstalt als Berlin, und es hat mir vollkommen den Dienst eines pennsylvanischen Zellengefängnisses geleistet, so daß ich in mich ging und mich während dieser ausgesucht hundsföttischen Jahre zu besseren Dingen würdig machte; denn wer dergleichen anstrebt oder sonst kein Esel ist, der befindet sich hier vollkommen ungestört und sich selbst überlassen."
Er verkehrt in den literarischen Salons der Fanny Lewald und Varnhagen von Enses, ansonsten aber ist er geradezu manisch produktiv: er schreibt den Grünen Heinrich, die erste Fassung des Apotheker von Chamounix und den ersten Band der Leute von Seldwyla; darüber hinaus plant er bereits das Sinngedicht, die Sieben Legenden, den zweiten Band der Leute von Seldwyla und auch bereits eine der Züricher Novellen.