Zitate von und über Leben und Werk von Johann Wolfgang Goethe


»Wir haben keine neuere Literatur. Wir haben Goethe und Ansätze.«

Hugo von Hofmannsthal


»Wer seine Talente nicht zur Belehrung und Besserung anderer anwendet ist entweder ein schlechter Mann oder äußerst eingeschränkter Kopf. Eines von beiden muß der Verfasser des leidenden Werthers sein.«

Georg Christoph Lichtenberg. Aphorismus aus dem Jahr 1777. Abgedruckt in: Georg Christoph Lichtenbergs Aphorismen. Nach den Handschriften hrsg. v. Albert Leitzmann. Heft 3. Berlin 1906


»Dieser Toren, die verkennen, daß Goethes Poesie allerdings einen Mittelpunkt hat; aber nicht einen durch Grübeln gesuchten, im Traum gefundenen; sondern einen Ewiggeltenden, für alle Zeiten bestehenden, sich allein genügenden, herrlichen, großen: die Menschheit, das Wirkliche, das factum, die Welt.«

Franz Grillparzer. Aus den Tagebüchern und den ästhetischen Studien. Notiz aus dem Jahr 1822


»Wenn aber ein so warmes Produkt nicht mehr Unheil als Gutes stiften soll: Meinen Sie nicht, daß es noch eine kleine kalte Schlußrede haben müßte? Ein paar Winke hinterher, wie Werther zu einem so abenteuerlichen Character gekommen? ... Also, lieber Goethe, noch ein Kapitelchen zum Schlusse; und je zynischer, je besser!«

Gotthold Ephraim Lessing


»das gespräch kommt dann auf GOTHE, der jedenfalls nicht, delikat werdend, alles in delikatessen verwandelt. Interessant seine unsicherheit in geschmacksfragen, und, noch interessanter, zu sehen, wie das gelegentliche ausgleiten ins banale, wie in zeile 'dieses stirb und werde' in dem großen hafisgedicht, gerade dem ganzen das gewisse elementare verleiht.«

Bertolt Brecht: 'Arbeitsjournal'. Eintrag vom 27. Oktober 1941


»Goethe ist, wie Blücher und Napoleon, fast schon bei Lebzeiten eine mythische Person geworden, an der die Nachkommen; ein jeder nach seinem individuellen Maß und Talente, bildend fortdichten.«

Joseph Freiherr von Eichendorff: 'Der deutsche Roman des achtzehnten Jahrhunderts in seinem Verhältniß zum Christenthum.' Leipzig 1851


»Ich denke, Goethe hätte nicht, wie viele unserer Zeitgenossen, die Psychoanalyse unfreundlichen Sinnes abgelehnt. Er war ihr selbst in manchen Stücken nahegekommen, hatte in eigener Einsicht vieles erkannt, was wir seither bestätigen konnten, und manche Auffassungen, die uns Kritik und Spott eingetragen haben, werden von ihm wie selbstverständlich vertreten.«

Sigmund Freud: »Ansprache im Frankfurter Goethe-Haus anläßlich der Verleihung des Goethe-Preises, verlesen durch Anna Freud«. In: 'Die psychoanalytische Bewegung' 2 (1930)


»Drei Tage lang nahm er Anstand auf die Welt zu kommen. Als er endlich heut vor hundert Jahren in Frankfurt erschien, war er scheintod und sah recht schwärzlich und unansehnlich aus; sie bähten ihn mit Wein, bis er anfing zu schreien. – Später hat sich das Unansehnliche an ihm auffallend verloren.«

Gustav Freytag: »Eine Bemerkung über Goethe zum 28. August 1849«. In: 'Die Grenzboten' 8/III (1849)


»Das ist ein Verdienst Goethes, das erst spätere Zeiten erkannen werden; denn wir, die wir meist alle krank sind, stecken viel zu sehr in unseren kranken, zerrissenen, romantischen Gefühlen, die wir aus allen Ländern und Zeitaltern zusammengelesen, als daß wir unmittelbar sehen könnten, wie gesund, einheitlich und plastisch sich Goethe in seinen Werken zeigt. Er selbst merkt es ebensowenig; in seiner naiven Unbewußtheit des eignen Vermögens wundert er sich, wenn man ihm 'ein gegenständliches Denken' zuschreibt […].«

Heinrich Heine: 'Reisebilder. Theil 2'. Hamburg 1827


»Lächerlich, solch ein Geniekult, lächerlich, ein Leben in Spiritus zu konservieren, lächerlich, die Bewohner einer Stadt zu Mitwirkenden eines beständigen Passionsspieles zu machen.«

Egon Erwin Kisch: »Der Naturschutzpark der Geistigkeit«. In: Ders.: 'Hetzjagd durch die Zeit'. Berlin 1926


»Ich habe Goethe nie geliebt, selbst dann nicht, als ich einsah, daß er unser größter Dichter sei.«

Heinrich Laube: 'Reisenovellen'. Band II. Leipzig 1834


»Ein Charakter, der mit glühender Empfindung ein Ideal umfaßt, und die Wirklichkeit fliehet, um nach einem wesenlosen Unendlichen zu ringen, […] – dieses gefährliche Extrem des sentimentalischen Charakters ist der Stoff eines Dichters geworden, in welchem die Natur getreuer und reiner als in irgend einem andern wirkt, und der sich unter den modernen Dichtern vielleicht am wenigsten von der sinnlichen Wahrheit der Dinge entfernt.«

Friedrich Schiller: »Die sentimentalischen Dichter«. In: 'Die Horen' 1 (1795)


»Eigentlich fehlt hier noch ein dritter Teil des 'Faust'. Goethe hat ihn nicht schreiben können, weil die Zeit dafür noch nicht reif war.«

Walter Ulbricht: »Rede auf der 11. Tagung des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland in Berlin am 25. März 1962«


»Wer Goethe nicht unter die Gipsplastiken geraten Lassen möchte, die in seinem eigenen Weimarer Haus herumstehen, darf der Frage nicht ausweichen, warum seine Dichtung mit Grund schön genannt wird, trotz der prohibitiven Schwierigkeiten, welche der Riesenschatten der geschichtlichen Autorität seines Werkes einer Antwort bereitet. Die erste wäre wohl eine eigentümliche Qualität von Großheit, die nicht mit Monumentalität zu verwechseln ist, aber der näheren Bestimmung zu spotten scheint. Am ähnlichsten ist sie vielleicht dem Gefühl des Aufatmens im Freien.«

Theodor W. Adorno: »Zur Schlußszene des Faust«. In 'Akzente' 6 (1959)


»Und wo ist Goethens Griechentum, wie ihr es meinet? wo steht er als der Nachahmer, wohl gar als der Nachmacher der Griechen, womit ihr ihn wunderbar zu loben glaubt? Wie Angelos und Raffaels Aug an den Antiken die eigne Herrlichkeit ersah und die höchsten Bilder seiner Zeit schuf, so steht bei Goethen die keusche Zucht und das ruhige Ebenmaß, die stille Würde einer großen Zeit und einer vergangenen Welt - die Gegenwart ist den Lebenden selten groß.«

Ernst Moritz Arndt: 'Briefe an Freunde'. Altona 1810


»Wie die Anlage dieses Schauspiels einzig ist (denn es läßt sich durchaus mit keinem von Goethes eignen noch irgendeines andern Dichters dramatischen Produkten vergleichen), so ist's auch die Behandlung. Es herrscht hier kein Hauptton, keine Manier, keine allgemeine Norm, nach der sich der einzelne Gedanke fügen und umbilden muß. Nur das eine Gesetz scheint sich der Dichter gemacht zu haben, dem freiesten Gange seines Geistes zu folgen. Daher die plötzlichen Übergänge von populärer Einfalt zu philosophischem Tiefsinn, von geheimnisvollen magischen Orakeln zu Sprüchen des gemeinen Menschenverstandes, vom Erhabenen zum Burlesken. […] Es zeigt sich auch hier ein überlegener Geist, der manche Vorsicht vernachlässigen darf und doch sein Ziel nicht verfehlt.«

August Wilhelm Schlegel über das 'Faust' - Fragment in einer Rezension von Goethes Schriften. In: 'Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen' (1790), Nr. 154


»In den letzten Jahren war viel die Rede von der Goethe-Ferne und Goethe-Entfremdung unserer Zeit, und wirklich schien es zuweilen, als wäre sein Gestirn für breite Schichten unseres Volkes versunken. Aber eine Geistersonne geht nicht für jeden in der nämlichen Minute auf; sie weiß überhaupt nichts von Auf- oder Untergang; sie ist immer da, wird jedoch nur wahrgenommen, wenn ein Auge für sie vorbereitet ist oder wenn ein Suchender ihrer gewaltig bedarf. Und so sind es immer nur einzelne, die von Goethes Licht unmittelbar getroffen und auf ihrem Weg bekräftigt werden.«

Hans Carossa: »Wirkuingen Goethes in der Gegenwart«. In: 'Vierteljahresschrift der Goethe-Gesellschaft' 3 (1938)


»Goethe hat sich nicht wie Lessing als Vorkämpfer der bürgerlichen Klassen sondern viel eher als ihr Deputierer, ihr Botschafter beim deutschen Feudalismus und dem Fürstentum empfunden. Aus den Konflikten dieser repräsentativen Stellung erklärt sich sein dauerndes Schwanken. Der größte Vertreter der klassischen, bürgerlichen Literatur […] konnte sich doch die bürgerliche Kultur nicht anders als im Rahmen eines veredelten Feudalstaates denken. Wenn Goethe die französische Revolution ablehnte, so geschah das freilich nicht nur im feudalen Sinne […] sondern ebensowohl im Sinne des Kleinbürgertums, d. h. des Privatmanns, der sein Dasein ängstlich gegen die politischen Erschütterungen rings um sich abzudichten sucht. Aber weder im Geiste des Feudalismus noch im Geiste des Kleinbürgertums war diese Ablehnung restlos und eindeutig.«

Walter Benjamin: »Goethe«. In: Ders.: 'Gesammelte Schriften'. Bd. II. Frankfurt a. M. 1977 [geschreiben 1928]


»Goethes Lieblingsworte sind: heiter, artig, wunderlich. Er fürchtet sogar sich zu wundern: was ihn in Erstaunen setzt, ist wunderlich. Er gönnt dem armen Worte die kleine Ehre der Überraschung nicht. Er scheut alle enthusiastischen Adjektive; - man kann sich so leicht dabei echauffieren.«

Ludwig Börne. Tagebucheintrag vom 30. April 1830


»Wenn ich trotz allem am Leben bleiben sollte, so verdanke ich es Goethe, wie man es nur einem Gott verdankt. Es ist nicht ein Werk, es ist die Stimmung und Sorgfalt eines erfüllten Daseins, das mich plötzlich überwältigt hat. Ich kann ihn aufschlagen, wo ich will, ich kann Gedichte hier und Briefe oder ein paar Seiten Bericht dort lesen, nach wenigen Sätzen erfaßt es mich und bin so voll Hoffnung, wie sie keine Religion mir geben kann.«

Elias Canetti: »Aufzeichnung über Goethe«. In: Ders.: 'Aufzeichnungen 1942 - 1948'. München 1965


»So ist denn unser größter Dichter dahin. Die himmlische Kraft, die so vieler Dinge Herr wurde, weilt hier nicht länger. Der Werktagsmann, der bischer zu uns gehörte, hat das Ewigkeitsgewand angelegt und strahlt in triumphierender Glorie. Sein Schwinden glich dem Untergang der Sonne. Die Sonne offenbart körperliche Dinge, der Weltpoet ist Auge und Offenbarer aller Dinge in ihrer Geistigkeit. […] Das achtzehnte Jahrhundert war eine todkranke Zeit. Die neue Epoche begann in dem Augenblick, da ein Weiser geboren wurde. Kraft göttlicher Vorbestimmung wurde ein solcher Mensch der Erlöser seiner Zeit. - Lag nicht der Fluch der zeit auf ihm? Es war Erlösung durch Güte, denn Größe ist Güte.«

Thomas Carlyle: »Death of Goethe«. 1832


Auf die Frage, wer der Größere von beiden sei, er oder Schiller: Die Deutschen sollen sich freuen, zwei solche Kerle zu haben.

Gotthold Ephraim Lessing


»Goethes Lieblingsworte sind: heiter, artig, wunderlich. Er fürchtet sogar sich zu wundern: was ihn in Erstaunen setzt, ist wunderlich. Er gönnt dem armen Worte die kleine Ehre der Überraschung nicht. Er scheut alle enthusiastischen Adjektive; - man kann sich so leicht dabei echauffieren.«

Ludwig Börne. Tagebucheintrag vom 30. April 1830