Biographie Bertolt Brecht: Die Berliner Zeit

Die Berliner Zeit (1924-1933)

Im Alter von 26 Jahren, 1924, übersiedelt Brecht endgültig nach Berlin, wo er zunächst, neben Carl Zuckmayer, als Dramaturg am Deutschen Theater von Max Reinhardt arbeitet. Brecht ist zu dieser Zeit längst mit Helene Weigel liiert, die den gemeinsamen Sohn Stefan zur Welt bringt. 1926 wird Mann ist Mann im Landestheater Darmstadt uraufgeführt, kurz darauf, im Frankfurter Schauspielhaus, Die Hochzeit (später unter dem Titel Die Kleinbürgerhochzeit). In dieser Zeit beginnt Brecht, sich mit dem Marxismus zu beschäftigen. Vor allem aus der marxistischen Gesellschaftstheorie ergeben sich erste Ideen zum epischen Theater. Daraus entwickelt sich im Laufe der Zeit das Konzept des analytischen oder dialektischen Theaters, das den Zuschauer zum Reflektieren und Analysieren anregen soll, nicht aber zum Mitfühlen. Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelt Brecht Verfremdungs- und Desillusionsstrategien, um die Illusion des Zuschauers aufzubrechen und das Spiel gerade als ‚Nicht-Realität’ zu kennzeichnen. Entsprechend verlangt Brecht von seinen Schauspielern auch nicht ein Sich-in-die-Rolle-Hineinversetzen, sondern im Gegenteil, eine analytisch-externe Herangehensweise.

Einige von Brecht eingesetzte und weiterentwickelte Verfahren entstammen sogar dem russischen Revolutionstheater, mit dem sich Brecht bereits 1919 beschäftigt hat; dessen Hauptvertreter, Wsewolod Meyerhold, wird in den 1930er Jahren zunehmend zu Brechts Antagonisten.

1927 erscheint, neben den Dramen Im Dickicht der Städte und Mann ist Mann, auch Brechts erste große Gedichtsammlung. War die Lyrik-Auswahl 1926 noch als 25 Exemplare umfassender Privatdruck unter dem Titel Die Taschenpostille erschienen, so wird sie jetzt als Die Hauspostille publiziert. In dieser Zeit beginnt auch seine Zusammenarbeit mit Kurt Weill. Beide entwickeln aus den Mahagonny-Gesängen der Hauspostille das Songspiel Mahagonny, das im Juli in Baden-Baden uraufgeführt wird. Der große Durchbruch gelingt Brecht und Weill 1928, als sie die Auftragsarbeit die Dreigroschenoper verfassen, die am 31. August im Berliner Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt wird. Das Stück, eine publikumswirksame Mischung aus Parodie und Songspiel, aus bunter Musicalwelt und sozialkritischen Anklängen, wird sofort ein triumphaler Erfolg, bringt ihm allerdings auch den ersten von zahlreichen Plagiatsvorwürfen ein – das Brechtsche Zitat von der „Laxheit in Fragen geistigen Eigentums“ hat hier seinen Ursprung.

Im folgenden Frühjahr heiraten Brecht und Helene Weigel, die gemeinsame Tochter Barbara wird im Oktober 1930 zur Welt kommen. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise kommt es allenthalben zu sozialen Spannungen und in allen größeren Städten zu Unruhen und Demonstrationen. Als bei einer Berliner Maikundgebung demonstrierende Arbeiter erschossen werden, ist das für Brecht Grund und Anlass, seine politischen Ansichten zu radikalisieren und sich verstärkt mit der Arbeiterbewegung zu beschäftigen.