Interpretation "Die Blechtrommel" von Günter Grass

Die Blechtrommel, 1959 erschienen und in 20 Sprachen übersetzt, gehört schon längst zur Weltliteratur. Immer wieder vermag die gewaltige Sprachkraft dieses Werkes zu bestechen. Im Darstellen der kleinbürgerlichen Lebensweise und im Aufzeigen von Bagatellen sind Günter Grass stark einprägsame Bilder gelungen, denn gerade das Kleinbürgertum hat den Faschismus mitgetragen. Doch bedient sich Grass nicht nur solch kräftiger Visionen, sondern zuweilen auch provokanter Geschichten und Figuren. Die meisten davon hat der gebürtige Danziger vermutlich aus seiner Erinnerung reflektieren können, manchmal gehen die Geschehnisse aber auch auf Erfahrungen zurück, die gemeinschaftlicher Art und inzwischen bekannt sind. Grass verwendet zum einen also spezifische Figuren, zum anderen ungewöhnliche Konstruktionen in seinem Sprachstil. So bringt er dem Leser unvermeidlich andere, neue Lesegewohnheiten bei, die diesen nachfragen und nachlesen lassen und hält ihn damit bewusst wachsam. Auch beim Schildern von Milieustudien ist er äußerst prägnant.

Denkbar ist, dass Grass schon immer seiner Zeit voraus gewesen ist, auch hier und wie weit, offenbart die Tatsache, dass ihm der Literaturnobelpreis für dieses Werk erst vierzig Jahre später verliehen wurde. Die Blechtrommel zeigt dem Leser unverblümt auf, wie es in Vorkriegs- und Kriegszeiten gewesen ist, zeigt die Alltagsschwere, den Umgang mit schrecklichen Zwängen, und filtert dabei noch das heraus, was sich in manch finsterem Kopf oder manch dunkler Seele breit gemacht hat. Irgendwie haben seine Lebensläufe der Menschen aus der Provinz oft etwas Groteskes an sich. Mit der Figur des Oscar hat Günter Grass zudem noch eine Gestalt geschaffen, die ihm und auch den Lesern den Blick von unten, also von niedrigster Ebene erlaubt. Oscars besondere Fähigkeiten, dessen Stärke und Talent, das eines trommelnden Kleinwüchsigen also, wird zum Mittel der Kunst. Grass benutzt die Außenseiterperspektive gezielt, um durch den ablehnenden Helden Oscar die ganze Schäbigkeit des Kleinwüchsigen offenzulegen. Er verweist mit dieser fiktiven Autobiographie aus Sicht eines Kleinwüchsigen darauf, dass sich dieser zu keiner Zeit zum Opfer von Anpassung oder Zwängen machen lässt. Und erst das Kriegsende, das Heraustreten aus dem Dunkel ist es dann, das Oscar den Entschluss bringt, wieder weiter zu wachsen, obwohl er sich eigentlich niemals entwickelt. Zu all dem hat Grass ein spannungsvolles Erzählen gewählt, das eigentlich aus der Ich-Perspektive Oscars stattfindet, aber dennoch hin und wieder mit der Perspektive des Erzählers zusammenfällt.

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