Biographie Georg Büchner (Seite 6)

Und im Januar beginnt Büchner mit der Niederschrift seines ersten Dramas, Dantons Tod, in welchem seine Quellenkenntnis zur Französische Revolution zum Tragen kommt. Bereits einen Monat später sendet er das Manuskript an den Verleger Johann David Sauerländer und an dessen Redakteur Karl Gutzkow, einen der führenden Vertreter des Jungen Deutschland. Gutzkow ist beeindruckt und antwortet postwendend: "In aller Eile einige Worte! Ihr Drama gefällt mir sehr, u[nd] ich werde es Sauerl[änder] empfehlen." (Brief vom 25. Februar 1835). Tatsächlich erscheint durch Gutzkows Vermittlung ab Ende März ein (vor allem aus Zensurgründen) gekürzter Vorabdruck in der Literaturzeitschrift Phönix.

Aber die Ereignisse überschlagen sich. Nachdem die hessischen Behörden ihre Ermittlungen gegen revolutionäre Kreise in den vorangegangenen Monaten intensivieren und Büchner selbst mehrmals Vorladungen zustellen, entschließt er sich, als ein erneutes amtliches Schreiben eintrifft, das ihn zu einem Untersuchungstermin nach Friedberg zitiert, endgültig zur Flucht. Büchner weiß genau, dass er den Verlust der persönlichen Freiheit psychisch nicht überstehen würde; auch seine Mitstreiter haben ihm niemals einen Vorwurf wegen dieses Schrittes gemacht. Wie klug seine Entscheidung ist, zeigt sich bald darauf, als durch das Umkippen Clemms, eines der aktivsten Mitglieder der 'Gesellschaft der Menschenrechte', eine große Verhaftungswelle folgt, der u. a. auch Ludwig Weidig zum Opfer fällt, und zwar im drastischsten Sinne: Nach fast zwei Jahren Gefangenschaft mit ständigen Verhören und Folterungen stirbt der Mitverfasser des Hessischen Landboten am 23. Februar 1837 in seiner Zelle.

Büchner erreicht in den ersten Märztagen unbehelligt Strassburg, wo er sich als der Weinkellner Jacques Lutzius anmeldet, um eine Abschiebung durch die dortigen Behörden zu vermeiden. Erst im Herbst erhält er – ungeachtet des Steckbriefes, den die hessischen Behörden im Juni gegen ihn erlassen haben – durch die Verwendung einflussreicher Bürger die Sicherheitskarte, eine Art Aufenthaltsgenehmigung. Damit enden Büchners revolutionäre Aktivitäten. Zum einen, weil er sie sich aufgrund seines Flüchtlings-Status nicht erlauben kann, vor allem aber, weil seine Überzeugung noch fester geworden ist, dass ein Umsturz in der damaligen Situation nicht möglich sei; vielmehr hofft er darauf, dass die republikanischen Ideen sich immer mehr verbreiten und schließlich zu einem Zusammenfall des Systems führen würden.

George Danton auf dem Weg zur Guillotine
»George Danton auf dem Weg zur Guillotine«.
Rötelzeichnung von Pierre-Alexandre Wille
vom 5. April 1794, dem Tag der Hinrichtung

»DANTON. Wenn einmal die Geschichte ihre Grüfte öffnet kann der Despotismus noch immer an dem Duft unserer Leichen ersticken.
HÉRAULT. Wir stanken bei Lebzeiten schon hinlänglich. Das sind Phrasen für die Nachwelt nicht wahr Danton, uns gehn sie eigentlich nichts an.
CAMILLE. Er zieht ein Gesicht, als solle es versteinern und von der Nachwelt als Antike ausgegraben werden.«

Dantons Tod, 4. Akt, 5. Szene

»Seit zwei Tagen kennt das Tribunal Danton; morgen hofft er im Schoße des Ruhms zu entschlummern; nie hat er um Gnade gebeten, und mit aller Heiterkeit, welche dem ruhigen Gewissen eigen ist, wird er aufs Blutgerüst eilen.«

George Dantons letzte Worte vor dem Revolutionstribunal

Karl Gutzkow (1811 – 1878)
Karl Gutzkow (1811 – 1878).
Lithographie von Valentin Schertle, 1840

»Ich saß dann 2 1/2 Monate [...] im Amtshause oder Kaffeehause, wie der ganze Arkadenwürfel heißt. Behandlung war erst massiv; dann milderte sie sich u[nd] endete zuletzt in entschied[ener] Höflichkeit. Erst wollte man mich steinigen, u[nd] jetzt bin ich ziemlich populär.«

Brief an Georg Büchner vom 6. Februar 1836

»Die Flüchtigen in der Schweiz spielen nun auch mit dem jungen Deutschl. Komödie. Dadurch wird der Name, hoff ich, von mir u[nd] meinen Freunden mit der Zeit abgewälzt [...]. Mit der Zeit wird es ein papperner Begriff werden u[nd] sich abnutzen, was immer gut ist unter Umständen, wie die heutigen, wo die Massen schwach sind«.

Brief an Georg Büchner vom 10. Juni 1836

Großherzoglich Hessischen Zeitung
Meldung in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom 26. Februar 1837.

An der offiziellen Darstellung wurden erhebliche Zweifel angemeldet. Verschiedene unabhängige medizinische Gutachten stellten fest, daß die vernarbten Wunden an Weidigs Leiche durch »Stöße oder Schläge« entstanden waren, die »sehr heftig gewesen sein« müssen. Auch die »große Schnittwunde« am Hals habe kaum von ihm selber herrühren können. Völlig außer Zweifel steht die Tatsache, »daß die mehrstündige gänzliche Vernachlässigung und Hülflosigkeit des verwundeten Gefangenen seinen Tod wenn nicht herbeigeführt, doch wesentlich befördert habe«. Eine behördliche Untersuchung des Falles fand nicht statt.

Zitate aus der Dokumentation Der Tod des Pfarrers Dr. Friedrich Ludwig Weidig von Wilhelm Schulz, 1843

Steckbrief in der Großherzoglich Hessischen Zeitung
Steckbrief in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom 18. Juni 1835, der am selben Tag auch im überregionalen Frankfurter Journal abgedruckt wurde. Büchner war zu diesem Zeitpunkt seit drei Monaten im wörtlichen Sinne über alle Berge.

»1. POLIZEIDIENER. Halt, wo ist der Kerl?
2. P. Da sind zwei.
[...]
1. P. So müssen wir sie Beide inquirieren. Meine Herren, wir suchen Jemand, ein Subjekt, ein Individuum, eine Person, einen Delinquenten, einen Inquisiten, einen Kerl. (zum andern Polizisten) Sieh einmal, wird Keiner rot? 2. P. Es ist Keiner rot geworden.
1. P. So müssen wir es anders probie-ren. – Wo ist der Steckbrief, das Signalement, das Zertifikat? (2. Pol. zieht ein Papier aus der Tasche und überreicht es ihm.) Visiere die Subjekte, ich will lesen: ein Mensch –
2. P. Paßt nicht, es sind zwei.«

Leonce und Lena. Verstreute Bruchstücke