Interpretation "Homo faber" von Max Frisch

Ein Bericht

"Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt, mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen." Mit diesen Worten präsentiert sich Max Frischs Protagonist Walter Faber als typischer Vertreter der technisierten Welt und dem damit verbundenen Glauben an die völlige Berechenbarkeit des Lebens. Er setzt Wahrscheinlichkeit gegen Fügung, Zufall gegen Schicksal, Mathematik und Technik gegen Mystik und Natur und macht sich damit zum Homo faber, zum 'Menschen als Verfertiger', der die Welt mithilfe der Technik beherrscht.

Doch durch eine Reihe von tragischen Ereignissen und schicksalhaften Zufällen, bekommt sein rein rational geprägtes, technokratisches Weltbild scharfe Risse. Sein Denken entpuppt sich als verantwortungslos und unmenschlich. Mit seiner Überheblichkeit, das ganze Leben kalkulieren zu können, zeigt sich Walter Faber als moderner Ödipus, der meint, aus eigener Kraft seinem Schicksal entgehen zu können. Beide, der antike Ödipus und der moderne Techniker Faber, laden Schuld auf sich.

Um Fabers Technikgläubigkeit als unhaltbares Denkgebäude zu entlarven, wählt Max Frisch die Form des Berichts, der eine sachliche und rationale Darstellung erwarten lässt. Der Ingenieur selbst erzählt seine Geschichte, indem er vergangene Ereignisse und Zusammenhänge rekonstruiert. Diese Aufzeichnungen erscheinen in erster Linie als Selbstrechtfertigung, als verzweifeltes Anliegen, sich und Hanna von seiner Unschuld am Tod der Tochter zu überzeugen. Hier spricht der rationale Techniker Homo faber, der sich allerdings oftmals selbst entlarvt. Diese Rückblicke mischen sich mit aktuellen Tagebuchaufzeichnungen des todkranken Faber, der hier zugunsten eines mystischen Lebensgefühls immer mehr von seinem absoluten Vernunftdenken abkehrt.

Wie kein zweites deutschsprachiges Werk hat Max Frischs Roman die fortschreitende Technisierung der modernen Welt und die damit einhergehende Technikgläubigkeit entlarvt. Homo faber wurde seit seinem Erscheinen 1957 in über 40 Sprachen übersetzt. Aufgrund seiner noch immer aktuellen Thematik gehört das Buch auch heute noch in den meisten Schulen zur vorgeschriebenen Lektüre. Es ist Max Frischs meistgelesenes Werk.