Biographie Rainer Maria Rilke (Seite 5)
Als Rilke im Januar des Jahres 1902 erfährt, dass ihn seine Prager Familie nur noch bis Mitte des Jahres finanziell unterstützen kann, beginnt er, wenngleich wenig erfolgreich, sich um ein gesichertes Einkommen zu bemühen. Im Mai arbeitet Rilke für den Verlags Velhagen & Klasing und dessen Reihe Künstler-Monographien an einer Darstellung über Worpswede, in der er die dortigen Künstler in insgesamt fünf eigenständigen Essays präsentiert.
Den Sommer verbringt Rilke einmal mehr auf dem Gut seines blaublütigen Freundes, Prinz Emil von Schönaich-Carolath; von Haseldorf aus nimmt Rilke am 28. Juni brieflichen Kontakt zu Auguste Rodin auf.
Rilke, Rodin und Paris
Am 26. August 1902 reist Rilke nach Paris, um eine Monographie über Rodin zu schreiben. Seine Frau Clara, selbst eine Rodin-Schülerin, löst gut einen Monat später den gemeinsamen Hausstand in Westerwede auf, bringt die gemeinsame Tochter zu ihren Eltern und folgt ihrem Mann nach Paris. Dort ist Rilke, der unter Rodins Einfluss ein spürbar verändertes Kunstverständnis entwickelt, längst in das Pariser Leben eingeführt. Die Bedeutung Rodins für die persönliche und künstlerische Entwicklung Rilkes nennt Lou Andreas-Salomé eine „Erlösung, die Rainer geschah durch seine Begegnung mit Rodin, der ihm als Künstler die Realität geschenkt hat, wie sie ist ohne Gefühlsverfälschung durchs Subjekt, der ihn an seinem eigenen Vorbild lehrte, die Fruchtbarkeit des Schaffens und Lebens in eins zu binden, und dessen einziges Gebot und Gesetz des ‚toujours travailler’ ihn ‚Dinge machen’ ließ [...]“2
Rilke wird schließlich sogar Rodins Sekretär, doch diese enge Zusammenarbeit ist wegen der sehr unterschiedlichen Charaktere der beiden nicht von langer Dauer. 1906 kommt es zu einem ersten Zerwürfnis. Rilke findet danach Unterstützung bei anderen Mäzenen wie Harry Graf Kessler oder dem Verleger A. Kippenberg. Auch unternimmt er in dieser Zeit mehrere Reisen nach Italien, Spanien, Deutschland und in die Schweiz. Zwar versöhnen sich Rodin und Rilke noch einmal, doch nach einem erneuten Streit trennen sich ihre Wege endgültig.
Aus den Eindrücken seiner Zeit in der Kunststadt Paris schöpft Rilke unzählige Motive für Gedichte, von denen viele in dem Band „Neue Gedichte“ veröffentlicht werden, darunter auch sein bekanntestes Gedicht „Der Panther“. Die Anonymität und die Brutalität der Großstadt haben eine ähnliche Wirkung auf den sensiblen Dichter wie fast zwei Jahrzehnte zuvor seine Erlebnisse als Kadett der Militärschule. Die Auseinandersetzung mit dem und das Scheitern an dem großstädtischen Leben bilden später das zentrale Motiv seines in Paris spielenden Romans „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ (1910).
1910 folgt Rilke erstmalig der Einladung der Fürstin Marie von Thurn und Taxis, mit der ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet. Weitere Aufenthalte auf ihrem Schloss Duino bei Triest folgen; hier entstehen das „Marien-Leben“ (1913) und der erste Teil der „Duineser Elegien“ (1923).
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2 Lou Andreas-Salomé: Lebensrückblick. Frankfurt/Main 1989, S. 127.