Biographie Franz Kafka (Seite 7)
"Sie soll es ertragen, ein klösterliches Leben neben einem Mann zu führen, der sie zwar lieb hat, wie er niemals einen andern lieb haben kann, der aber kraft seiner unabänderlichen Bestimmung die meiste Zeit in seinem Zimmer steckt oder gar allein herumwandert? Sie soll es ertragen, gänzlich abgetrennt von ihren Eltern und Verwandten und fast von jedem andern Verkehr hinzuleben, denn anders könnte ich, der ich meine Wohnung selbst vor meinem besten Freunde am liebsten zusperren würde, ein eheliches Zusammenleben mir gar nicht denken."
Ende Mai 1914 kommt es trotzdem zur Verlobungsfeier in Berlin, eine Woche später, am 6. Juni, notiert ein spürbar niedergeschlagener Franz Kafka in sein Tagebuch: "Aus Berlin zurück. War gebunden wie ein Verbrecher. Hätte man mich mit wirklichen Ketten in einen Winkel gesetzt und Gendarmen vor mich gestellt und mich nur auf diese Weise zuschauen lassen, es wäre nicht ärger gewesen. Und das war meine Verlobung, und alle bemühten sich, mich zum Lachen zu bringen, und da es nicht gelang, mich zu dulden, wie ich war."
Einen Monat später löst er die Verlobung folgerichtig wieder auf. Anschließend stockt der Briefwechsel für ein paar Monate, doch kommt es bald zu einer neuen Annäherung – Felice scheint bis zuletzt, bis zur Diagnose seiner Krankheit, auf ein Zusammenleben mit Kafka gehofft zu haben. Im Juli 1917 kam es zur zweiten Verlobung, die nach zwei Monaten ebenfalls wieder aufgelöst wird. Im September stellten die Ärzte an seiner Lunge eine Tuberkulose fest – für Kafka ein idealer Vorwand, sich ein weiteres Mal zurückzuziehen. An Felice schreibt er in der Nacht vom 30. 9. zum 1. 10. 1917: "Im übrigen sage ich Dir ein Geheimnis, an das ich augenblicklich selbst gar nicht glaube [..], das aber doch wahr sein muß: ich werde nicht mehr gesund werden. Eben weil es keine Tuberkulose ist, die man in den Liegestuhl legt und gesund pflegt, sondern eine Waffe, deren äußerste Notwendigkeit bleibt, solange ich am Leben bleibe. Und beide können nicht am Leben bleiben."
Kafka und Felice trennten sich endgültig – Kafka mit dem Vorsatz, sich künftig an keine Frau mehr zu binden. Felice Bauer heiratete 1918 einen wohlhabenden Berliner Geschäftsmann und wanderte in den 30er Jahren über die Schweiz in die Vereinigten Staaten aus, wo sie 1960 stirbt.
»Ich kann die einfachste praktische Aufgabe nur mittels großer sentimentaler Szenen bewältigen […]. Wenn ich nach rechts gehen will, gehe ich zunächst nach links, und strebe dann wehmütig nach rechts […]. Der Hauptgrund, mag Angst sein: nach links zu gehn muß ich mich nicht fürchten, denn dorthin will ich ja eigentlich gar nicht.«
An Felice, 14. Mai 1916