Biographie Theodor Fontane (Seite 6)

Im September lässt er sich beurlauben, um ein Buch über den im Sommer ausgebrochenen Krieg gegen Frankreich zu schreiben. Das Buchprojekt geht auf die Initiative seines Verlegers zurück, der die Produktion der detailversessenen militärhistorischen Wälzer mit erheblich mehr Ehrgeiz verfolgt als der Autor selbst. Vom Elsass aus macht sich Fontane per Eisenbahn in mehreren Etappen auf den Weg nach Paris. In Domrémy wird er von einer Gruppe von sogenannten Franctireurs, einer Art von Partisanen, verhaftet und beinahe wegen Spionage angeklagt. Man weiß heute nicht mit absoluter Sicherheit, auf wessen Intervention hin es zur Freilassung Fontanes kommt – ein Gerücht besagt, dass Bismarck persönlich interveniert habe – jedenfalls wird die Anklage gegen Fontane fallengelassen und er ist, nach einigen Wochen Ehrenhaft zu Offiziersbedingungen, im Dezember 1870 wieder frei. Unter dem Titel Kriegsgefangen veröffentlicht Fontane die Tagebücher, die in seiner Gefangenschaft entstanden sind.

Noch während des Krieges, am 18. Januar 1871, wird der preußische König Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert – der Traum des liberalen Deutschland ist wahr geworden, die Kleinstaaterei ist beendet.

Nach Kriegsende, im April und Mai 1871, bereist Fontane noch einmal das besetzte Frankreich und veröffentlicht seine Beobachtungen Ende November unter dem Titel Aus den Tagen der Okkupation. Über den Krieg von 1870/71 schreibt er ein Buch mit dem Titel Der Krieg gegen Frankreich, dessen erster Band 1873, der zweite 1875/76 erscheint.

Zurück in Berlin, nimmt Fontane die Arbeit an den Wanderungen und seine Tätigkeit als Theaterkritiker wieder auf. Am 3. Oktober 1872 bezieht die Familie Fontane eine neue Wohnung – die letzte nach einer langen Reihe von Umzügen. Bis zu seinem Tod wird Fontanes Wohnsitz nun die Potsdamer Straße 134 c sein.

Das Jahr 1876 bringt noch einmal eine berufliche Veränderung: Wieder verschafft ihm ein Tunnel-Freund einen Posten, nämlich den des Sekretärs der Akademie der Künste, der nicht nur ein Beamtengehalt, sondern auch eine entsprechende Alterspension bedeuten würde. Doch schon nach wenigen Monaten bittet Fontane um seine Entlassung, da er mit der Tätigkeit überhaupt nicht zurechtkommt.

Der Gefangene von Oléron
»Der Gefangene von Oléron – Das kommt davon, wenn man nach Jungfraun geht.«
Karikatur von August von Heyden, die auf Fontanes Verhaftung in Domrémy, der Geburtsstätte von Jeanne d’Arc anspielt.

Ganz harmlos war das Abenteuer der Gefangenschaft allerdings nicht, denn für kurze Zeit mußte Fontane mit seiner Füsilierung rechnen: »Eine halbe Stunde lag ich so, oder vielleicht länger, ich weiß es nicht. Dann hatt’ ich mich mit der Gewißheit meines Schicksals auch wieder gefunden. Eine Fassung kam über mich, deren ich mich nicht für fähig gehalten hätte. Ich war fertig mit allem und bat Gott, mich bei Kraft zu erhalten und mich nicht klein und verächtlich sterben zu lassen.«

Aus ‘Kriegsgefangen’

Proklamation Wilhelms I.
Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Zeitgenössische Lithographie.
Modell für die neue deutsche Kaiserkrone
»Modell für die neue deutsche Kaiserkrone«.

Die zeitgenössische Karikatur läßt keine Zweifel daran, daß die Aggressivität des Deutschen Reiches, die sich im Ersten Weltkrieg entlud, schon bei seiner Gründung erkennbar war.

Grundriß von Fontanes Wohnung in der Potsdamerstraße

Über ein Vierteljahrhundert wohnte Fontane in der Potsdamerstraße 134c. Wie der Grundriß zeigt, war die Wohnung nicht übermäßig geräumig; die Existenz einer Hintertreppe belegt jedoch den bürgerlichen Charakter der Wohnung: Dienstboten hatten auf der Haupttreppe nichts zu suchen.