Literaturepoche Exil / Innere Emigration / Nazi-Literatur
Von Dr. Sonja Hilzinger
1929 brach in den USA jene Wirtschaftskrise aus, die schließlich die ganze Weltwirtschaft lahm legte. In Deutschland gab es sieben Millionen Erwerbslose. Der bürgerliche Parlamentarismus der ersten deutschen, nach ihrem Gründungsort benannten Weimarer Republik war zu Beginn der dreißiger Jahre am Ende. Links und rechts von der politischen Mitte waren mit der KPD und der NSDAP Massenorganisationen gewachsen, die bei den Reichstagswahlen immer mehr Wählerstimmen gewannen. Ein Aktionsbündnis zwischen KPD und SPD scheiterte an der SPD-Führung. Im Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt, und unmittelbar nach dem von den Nazis inszenierten Reichstagsbrand im Februar begann die brutale Verfolgung ihrer Gegner: mehr als 25.000 Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerliche Liberale, Politiker und Schriftsteller wie Willi Bredel (1901-1964), Anna Seghers (1900-1983), Ludwig Renn (1889-1979) wurden inhaftiert, linke Autoren wie Erich Mühsam (1878-1934) oder Carl von Ossietzky (1889-1938) wurden in Konzentrationslagern ermordet oder starben an den Folgen der Haft, viele andere konnten sich der Gestapo (= Geheime Schutzpolizei) nur durch Flucht aus Deutschland entziehen. Trotzdem erkannten die meisten Linken damals diese systematische Verfolgung noch nicht als den absoluten Bruch mit den freiheitlichen demokratischen Traditionen, mit der Assimilation jüdischer Deutscher und der Achtung der Menschenwürde, als der das Dritte Reich sich schließlich erweisen sollte.
Es begann die „Gleichschaltung" der Kulturorganisationen, demokratische und linke Organisationen wie der „Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller" (BPRS) oder der „Schutzverband deutscher Schriftsteller" (SDS) wurden aufgelöst bzw. 1935 in die „Reichsschrifttumskammer" (RSK) überführt. Die offizielle „Liste schädlichen und unerwünschten Schrifttums" enthielt nicht nur die zeitgenössische demokratische und sozialistische Literatur, sondern auch Werke aus der deutschsprachigen und der internationalen Tradition, die den Nazis missliebig waren. Wer solche Bücher verlegte oder (ver)kaufte, wurde bestraft. Publizieren durften nur von der RSK zugelassene Autoren, jüdische oder halbjüdische Autoren waren generell verboten bzw. ausgeschlossen. Ein Ausschluss bedeutete Berufsverbot. Schriftsteller, die Deutschland verließen, wurden ausgebürgert und ihr Eigentum wurde beschlagnahmt. (Das Verbot jüdischer Autoren bezog sich auch auf die literarische Tradition, und wo man einen Roman oder ein Gedicht nicht aus dem kulturellen Erbe eliminieren konnte, verschwieg man die Herkunft: So wurde aus Heinrich Heines (1797-1856) - übrigens auch er ein deutscher Dichter, der im Exil starb - berühmtem Gedicht „Die Loreley" im Dritten Reich ein „Volkslied" ohne Autor.)