Biographie Georg Büchner (Seite 2 )
Die Figur des Vaters muss widersprüchlich gewesen sein: Ist es ihm einerseits als engagiertem praktizierenden Arzt ein echtes Anliegen, leidenden (Mit-) Menschen zu helfen, verkörpert er andererseits durch seine extrem autoritären Erziehungsmethoden gerade die verhassten Unterdrückungsmechanismen seiner Zeit. So mögen beide Aspekte auf den sensiblen Georg gewirkt haben; aus der Identifikation mit dem durchaus als Vorbild erlebten Arzt-Vater ließe sich die Selbstverständlichkeit und Unbedingtheit seiner sozialen Zugewandtheit und letztlich auch seiner sozialistischen Einstellung erklären, aus dem Widerstand gegen den Tyrannen-Vater die Widerspenstigkeit gegen alle obrigkeitlichen Instanzen und der tiefe Abscheu vor Ungerechtigkeit.
Andererseits muss aber auch – jenseits von pädagogischen Angelegenheiten – ein liberaler Geist in der Familie geherrscht haben, der offene Auseinandersetzungen über die verschiedensten Themen erlaubt. Dieser Aspekt und der große Zusammenhalt, der zwischen den Geschwistern besteht, erklärt einigermaßen, dass Büchner sich zeit seines Lebens sehr stark an das Elternhaus gebunden fühlt und dieses als einen seiner wesentlichen Ansprechpartner empfindet.
Nachdem er seinen ersten Unterricht von der Mutter erhalten hat, besucht Büchner ab 1819 die 'Privat-Erziehungs- und Unterrichtsanstalt' von Carl Weitershausen in Darmstadt, wohin die Familie 1816 übergesiedelt ist. Anschließend besucht er ab 1825 das dortige humanistische Gymnasium. Aus seiner Schulzeit haben sich über 600 Seiten mit Schriften erhalten, die er als Aufgaben im Rahmen des Unterrichts verfasst hat. Als durchaus eigenständig können die Rede Helden-Tod der vierhundert Pforzheimer, das Aufsatz-Fragment Über den Traum eines Arkadiers (beide 1829), die Rede zur Verteidigung des Kato von Utika (1830) und die Rezension eines Mitschüler-Aufsatzes Über den Selbstmord gelten (1831).
Diese Schriften des Sechzehn- bis Siebzehnjährigen zeigen, abgesehen von einer offensichtlichen rhetorischen Begabung, die dazu führt, dass er zweimal als Redner des halbjährlich stattfindenden Redeaktus des Gymnasiums auftritt, seine schon damals sehr ausgeprägten Sympathien für republikanisches Gedankengut. Die Pforzheimer Bürger, die im Dreißigjährigen Krieg dem Heere Tillys trotzen, stellt Büchner als Beispiel für unbedingten Freiheitswillen dar; die engagierte Verteidigung von Catos Selbstmord nach der Machtergreifung Cäsars huldigt dem römischen Zensor als Symbolfigur republikanischen Denkens und Handelns, der einem Leben in Unfreiheit den Tod vorzieht.
Das alte Gymnasium zu Darmstadt nach einer Zinkographie um 1832 (links)
»Ich habe die Schulbänke satt, ich habe mir Gesäßschwielen wie ein Affe darauf gesessen«
Dantons Tod, III. Akt, 7. Szene
Dr. Julius Friedrich Karl Dilthey, Leiter des neuhumanistischen Gymnasiums (»Pädagog«), rechts
»O du gelehrte Bestie, lambe me in podice. ’s ist scheußlich, horribile dictu.«
Notiz aus Büchners Schulheften