Zitate von und über Leben und Werk von Ingeborg Bachmann


Es ist auch mir gewiß, daß wir in der Ordnung bleiben müssen, daß es den Austritt aus der Gesellschaft nicht gibt und wir uns aneinander prüfen müssen. Innerhalb der Grenzen aber haben wir den Blick gerichtet auf das Vollkommene, das Unmögliche, Unerreichbare, sei es der Liebe, der Freiheit oder jeder reinen Größe. Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten.

Ingeborg Bachmann. Aus: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar


Die Literatur aber, die selber nicht zu sagen weiß, was sie ist, die sich nur zu erkennen gibt als ein tausendfacher und mehrtausendjähriger Verstoß gegen die schlechte Sprache – denn das Leben hat nur eine schlechte Sprache – und die ihm darum ein Utopia der Sprache gegenübersetzt, diese Literatur also ist zu rühmen wegen ihres verzweiflungsvollen Unterwegsseins zu dieser Sprache und nur darum ein Ruhm und eine Hoffnung der Menschen.

Ingeborg Bachmann. Aus: Frankfurter Vorlesungen V: Literatur als Utopie


Wenn ich aber schreibe, dann sehen Sie mich nicht, es sieht mich niemand dabei. Sie können einen Dirigenten sehen beim Dirigieren, einen Sänger beim Singen, einen Schauspieler wenn er spielt, aber es kann niemand sehen, was Schreiben ist. Es ist eine seltsame, absonderliche Art zu existieren, asozial, einsam, verdammt, es ist etwas verdammt daran, und nur das Veröffentlichte, die Bücher, werden sozial, assoziierbar, finden einen Weg zu einem Du, mit der verzweifelt gesuchten und manchmal gewonnenen Wirklichkeit.

Ingeborg Bachmann. Aus: Rede zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises


Die meisten Frauen brauchen eine Hoffnung, etwas, was man ihnen noch nie gesagt hat. Ich brauche es nicht, ich weiß es schon lange, nämlich, daß sie fähig sind, genau so zu denken, genau so scharf zu denken, wie die Männer. Daß sie genau so fähig sind, daß sie sogar weniger eitel sind, daß sie zu größeren Leistungen imstande sind als Männer. Daß sie kein Mitleid brauchen und zu jedem Opfer fähig sind, um etwas zu tun. Das war die Lehre, die mir Polen gegeben hat.

Ingeborg Bachmann. Aus: Statement zum Film von Gerda Haller


Ingeborg Bachmann ist keine ursprüngliche Erzählerin, wenn man darunter verstehen will, daß jemand unbefangen Geschichten erzählen und sich dabei vergessen kann. Sie berichtet keine Fälle, sondern denkt über Fälle nach – über den ‚Grenzfall, der in jedem Fall steckt’. Die Lyrikerin verleugnet sich nicht: Bloßlegung eines überliefernswerten Menschen auch hier. Überliefernswert, weil bereit und fähig, wichtige Konflikte der Zeit in sich auszutragen.

Christa Wolf: Die zumutbare Wahrheit. Prosa der Ingeborg Bachmann


Manchmal werde ich gefragt, wie ich, auf dem Land großgeworden, zur Literatur gefunden hätte. - Genau weiß ich es nicht zu sagen; ich weiß nur, daß ich in dem Alter, in dem man Grimms Märchen liest, zu schreiben anfing, daß ich gern am Bahndamm lag und meine Gedanken auf Reisen schickte, in fremde Länder und an das unbekannte Meer, das irgendwo mit dem Himmel den Erdkreis schließt. Immer waren es Meere, Sand und Schiffe, von denen ich träumte, aber dann kam der Krieg und schob vor die traumverhangene, phantastische Welt die wirkliche, in der man nicht zu träumen, sondern sich zu entscheiden hat.

Ingeborg Bachmann, Biographisches (1952)


Die Literatur aber, die selber nicht zu sagen weiß, was sie ist, die sich nur zu erkennen gibt als ein tausendfacher und mehrtausendjähriger Verstoß gegen die schlechte Sprache – denn das Leben hat nur eine schlechte Sprache – und die ihm darum ein Utopia der Sprache gegenübersetzt, diese Literatur also ist zu rühmen wegen ihres verzweiflungsvollen Unterwegsseins zu dieser Sprache und nur darum ein Ruhm und eine Hoffnung der Menschen.

Ingeborg Bachmann. Aus: Frankfurter Vorlesungen V: Literatur als Utopie