Biographie Theodor Fontane (Seite 8)

Fontane veröffentlicht jetzt Jahr für Jahr einen neuen Roman; immer sind mehrere Projekte gleichzeitig in Arbeit. Graf Petöfy erscheint 1884, 1885 folgt die Kriminalerzählung Unterm Birnbaum, 1886/87 Cécile, 1887/88 Irrungen, Wirrungen, 1889/90 Stine, 1890 wieder eine Kriminalerzählung mit dem Titel Quitt, 1891 Unwiederbringlich, 1892 Frau Jenny Treibel. Neben den Romanen entsteht als Auftragsarbeit die Biographie eines seiner »Tunnel«-Freunde, Christian Friedrich Scherenberg, die 1884 erscheint.

In dieser intensiven Schaffensphase gibt es in Fontanes Leben kaum äußere Ereignisse, mit Ausnahme des Todes seines Sohnes George, der am 27. September 1887 an einem Blinddarmdurchbruch stirbt. Fontane hat sich inzwischen einigen Ruhm als Schriftsteller erworben, und zu seinem 70. Geburtstag am 30. Dezember 1889 bleiben die Ehrungen nicht aus.

Im Frühjahr 1892 erkrankt Theodor Fontane. Es beginnt mit einer Erkältung, die sich zur schweren Grippe verschlimmert und endet mit einem totalen Nervenzusammenbruch. "Wir erwarten den Arzt, der immer dringender von einer Nervenheilanstalt spricht", schreibt Emilie Fontane an den Sohn Friedrich. Doch der Hausarzt, der die psychischen Ursachen der Krankheit erkennt, empfiehlt Fontane stattdessen, etwas Leichtes, zum Beispiel Kindheitserinnerungen zu schreiben. Diese Kur ist erfolgreich, und im April 1893 beendet Fontane Meine Kinderjahre. Als das Buch im November 1894 im Verlag seines Sohnes Friedrich erscheint, wird es ein großer Erfolg; auch das Buch Von, vor und nach der Reise aus demselben Jahr, eine Sammlung von kleinen Geschichten und Feuilletons, verkauft sich gut. Noch vor Jahresende beginnt Fontane mit dem nächsten autobiographischen Buch, Von Zwanzig bis Dreißig, das 1898 erscheinen wird.

Der große Durchbruch kommt im Jahr 1895 mit dem Roman Effi Briest. Beinahe fünf Jahre hat Fontane an diesem Werk gearbeitet, und es dürfte einige Mitschuld an dem Zusammenbruch von 1892 tragen. Doch der Kampf wird belohnt: Es wird in kürzester Zeit zum meistgelesenen Buch Fontanes; in weniger als einem Jahr kommt es auf fünf Auflagen, und Fontane kann in sein Tagebuch notieren: "der erste wirkliche Erfolg, den ich mit einem Roman habe."

Vorabdruck des Kriminalromans Unterm Birnbaum

Im August und September 1885 erfolgte der Vorabdruck des Kriminalromans Unterm Birnbaum in der Zeitschrift Die Gartenlaube, einer der führenden ‘Familienzeitschriften’ des neunzehnten Jahrhunderts, die es bis hin zu einer Auflage von 380.000 Exemplaren (1875) brachte. Die von Ernst Keil gegründete Gartenlaube ist zum Inbegriff jener Publikationsorgane geworden, die durch vollständige Ausklammerung politischer Themen gekennzeichnet waren und ‘reine Unterhaltung’ für den Privatbereich bieten wollten. In ihnen spiegelt sich die geistige Haltung des Bildungsbürgertums der Gründerzeit ungebrochen wider.

Widmungsblatt Adolph von Menzels
»Auch’n Kuss unterm Mistel-Zweig«.
Widmungsblatt Adolph von Menzels für Fontane zu seinem siebzigsten Geburtstag.

Was den eigenen ‘Musenkuß’ anbelangte, äußerte sich Fontane selbst eher skeptisch:
»Ich bin gewiß eine dichterische Natur, mehr als tausend andere, die sich selber anbeten, aber ich bin keine große und keine reiche Dichternatur. Es drippelt nur so.«

Fontane an seine Frau, 8. Januar 1857

Elisabeth von Ardenne
Elisabeth von Ardenne, das historische Vorbild der Titelfigur des Romans Effie Briest.

»Dies Natürliche hat es mir seit langem angetan, ich lege nur darauf Gewicht, fühle mich nur dadurch angezogen, und dies ist wohl der Grund, warum meine Frauengestalten alle einen Knacks weghaben. Gerade dadurch sind sie mir lieb, ich verliebe mich in sie, nicht um ihrer Tugenden willen, sondern um ihrer Menschlichkeiten, d.h. um ihrer Schwächen und Sünden willen. Sehr viel gilt mir auch die Ehrlichkeit, der man bei den Magdalenen mehr begegnet als bei den Genoveven. Dies alles, um Cécile und Effi ein wenig zu erklären.«

Fontane an Colmar Grünhagen, 10. Oktober 1895