Kurzinhalt, Zusammenfassung "Mein Jahrhundert" von Günter Grass

Es ist wie ein Puzzle: Ein Aneinanderfügen von Sichtbarem und weniger gut Erkennbarem, von Geschichten, die so passiert sein können.

Mal lässt Günter Grass einen Wittenberger Pfarrer über das Innere eines Familienleben reflektieren, in dem Stasibespitzelung zur Alltäglichkeit gehörte, mal besinnen sich Studentinnen auf die turbulente Zeit der 68er, wie sie sich gerade erst ihres Körpers bewusst geworden sind, nun aber anders herum, ihn, den rundlichen Professor, entblößt sehen wollen. Gleich anschließend ist der doppelte Boden des Auf-die-Spitze-Treibens spürbar, wenn der Tatsache nachgegangen wird, dass in jenem Jahr freien Denkens beispielsweise auch die Tschechoslowakei okkupiert wurde.

Das Jahr 1989, das Grass mit dem Wort 'Wahnsinn' beginnt, lässt einerseits sowohl Menschen im Laufen, im Hecheln begegnen, andererseits aber auch manchen auf der Stelle treten. Und das Gesamtereignis tritt als Film über den Fernseher herein.

Ein Denunziant berichtet im Jahr 1934 über ein Häufchen Elend, über den Kaffeehausliteraten Erich Mühsam, und ist unzufrieden damit, dass dessen Beseitigung im Konzentrationslager Oranienburg nicht sauber genug vonstatten gegangen sei.

1946 wird eine Berliner Trümmerfrau vorgestellt, die Ziegelsteine "in Kolonne jekloppt" hat, doch nicht nur für das Vorankommen allein, auch für die eigene bessere Lebensmittelkarte. In Hosen aus Wehrmachtsdecken und Pullovern aus Wollresten reflektiert sie noch über die Kriegshochzeit, als sie bei Aufräumungsarbeiten einen Toten findet, dem sie die dringend benötigte Vorkriegsware noch ausziehen kann…

Und das Jahr 1971? Das ist das Jahr, in dem sich eine junge Frau Vorwürfe macht, weil ihre beste Freundin erst dem Heroin, dann, schwanger, einem Kurpfuscher anheim gefallen ist und immer problematischer im Umgang wird. Doch als sie nach einem Entzug die Chance in Anspruch nehmen will, sich in der Reportage "Wir haben abgetrieben" bekennend zu stellen, erfährt sie Abneigung, weil in ihrem Leben zu viel passiert sei. Also sorgt sie dafür, dass nichts mehr passiert.

Alle diese und andere Geschichten stellt Grass nebeneinander, zeigt auf und lässt den Leser selbst fündig werden, selbst sortieren und immer wieder nachdenken.

Eine tiefergehende Analyse finden Sie hier: Interpretation "Mein Jahrhundert" von Günter Grass