Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller

Friedrich Schiller

Wilhelm Tell

Schauspiel

Wilhelm Tell

Erster Aufzug, erste bis vierte Szene

Zweiter Aufzug, erste bis zweite Szene

Dritter Aufzug, erste bis dritte Szene

Vierter Aufzug, erste bis dritte Szene

Fünfter Aufzug, erste bis letzte Szene

Personen

Hermann Geßler, Reichsvogt in Schwyz und Uri

Werner, Freiherr von Attinghausen, Bannerherr

Ulrich von Rudenz, sein Neffe

Landleute aus Schwyz:

Werner Stauffacher

Konrad Hunn

Itel Reding

Hans auf der Mauer

Jörg im Hofe

Ulrich der Schmied

Jost von Weiler

Aus Uri:

Walther Fürst

Wilhelm Tell

Rösselmann, der Pfarrer

Petermann, der Sigrist

Kuoni, der Hirte

Werni, der Jäger

Ruodi, der Fischer

Aus Unterwalden:

Arnold vom Melchtal

Konrad Baumgarten

Meier von Sarnen

Struth von Winkelried

Klaus von der Flüe

Burkhardt am Bühel

Arnold von Sewa

Pfeiffer von Luzern

Kunz von Gersau

Jenni, Fischerknabe

Seppi, Hirtenknabe

Gertrud, Stauffachers Gattin

Hedwig, Tells Gattin, Fürsts Tochter

Berta von Bruneck, eine reiche Erbin

Bäuerinnen:

Armgard

Mechthild

Elsbeth

Hildegard

Tells Knaben:

Walther

Wilhelm

Söldner:

Frießhardt

Leuthold

Rudolf der Harras, Geßlers Stallmeister

Johannes Parricida, Herzog von Schwaben

Stüssi, der Flurschütz

Der Stier von Uri

Ein Reichsbote

Fronvogt

Meister Steinmetz, Gesellen und Handlanger

Öffentliche Ausrufer

Barmherzige Brüder

Geßlerische und Landenbergische Reiter

Viele Landleute, Männer und Weiber aus den Waldstätten


Erster Aufzug

Erste Szene

Hohes Felsenufer des Vierwaldstättensees, Schwyz gegenüber. Der

See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer,

Fischerknabe fährt sich in einem Kahn. Über den See hinweg sieht man

die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwyz im hellen

Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen sich die

Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im fernen

Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht,

hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläut der

Herdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Szene noch eine

Zeitlang fortsetzt.

FISCHERKNABE singt im Kahn:

Melodie des Kuhreihens

Es lächelt der See, er ladet zum Bade,

Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,

Da hört er ein Klingen,

Wie Flöten so süß,

Wie Stimmen der Engel

Im Paradies.

Und wie er erwachet in seliger Lust,

Da spülen die Wasser ihm um die Brust,

Und es ruft aus den Tiefen:

Lieb Knabe, bist mein!

Ich locke den Schläfer,

Ich zieh ihn herein.

HIRTE auf dem Berge:

Variation des Kuhreihens

Ihr Matten lebt wohl,

Ihr sonnigen Weiden!

Der Senne muß scheiden,

Der Sommer ist hin.

Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,

Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,

Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,

Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.

Ihr Matten lebt wohl,

Ihr sonnigen Weiden!

Der Senne muß scheiden,

Der Sommer ist hin.

ALPENJÄGER erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen:

Zweite Variation

Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,

Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,

Er schreitet verwegen

Auf Feldern von Eis,

Da pranget kein Frühling,

Da grünet kein Reis;

Und unter den Füßen ein neblichtes Meer,

Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,

Durch den Riß nur der Wolken

Erblickt er die Welt,

Tief unter den Wassern

Das grünende Feld.

Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den

Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend.

Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte, Werni der Jäger steigt vom

Felsen, Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter.

Seppi sein Handbube, folgt ihm.

RUODI: Mach hurtig Jenni. Zieh die Naue ein.

Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,

Der Mythenstein zieht seine Haube an,

Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,

Der Sturm, ich mein, wird dasein, eh wir's denken.

KUONI: 's kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe

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