Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 4)
verhehlt ihr ihn.
KUONI und RUODI: Wen meint ihr, Reiter?
ERSTER REITER entdeckt den Nachen:
Ha, was seh ich! Teufel!
WERNI oben: Ist's der im Nachen, den ihr sucht? – Reit zu!
Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.
ZWEITER: Verwünscht! Er ist entwischt.
ERSTER zum Hirten und Fischer:
Ihr habt ihm fortgeholfen,
Ihr sollt uns büßen – Fallt in ihre Herde!
Die Hütte reißet ein, brennt und schlagt nieder!
Eilen fort.
SEPPI stürzt nach: O meine Lämmer!
KUONI folgt: Weh mir! Meine Herde!
WERNI: Die Wütriche!
RUODI ringt die Hände: Gerechtigkeit des Himmels,
Wann wird der Retter kommen diesem Lande?
Folgt ihnen.
Zweite Szene
Zu Steinen in Schwyz. Eine Linde vor des Stauffachers
Hause an der Landstraße, nächst der Brücke.
Werner Stauffacher, Pfeiffer von Luzern kommen im Gespräch.
PFEIFFER: Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte.
Schwört nicht zu Östreich, wenn Ihr's könnt vermeiden.
Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,
Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!
Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.
STAUFFACHER:
Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt – Ihr seid
Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.
PFEIFFER:
Viel Dank! Muß heute Gersau noch erreichen.
– Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben
Von eurer Vögte Geiz und Übermut,
Tragt's in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,
Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.
Seid ihr erst Österreichs, seid ihr's auf immer.
Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank
unter der Linde. So findet ihn Gertrud, seine Frau, die sich
neben ihn stellt, und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.
GERTRUD:
So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.
Schon viele Tage seh ich's schweigend an,
Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.
Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,
Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,
Und meine Hälfte fodr ich deines Grams.
Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.
Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.
Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,
Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen,
Der glatten Pferde wohlgenährte Zucht
Ist von den Bergen glücklich heimgebracht
Zur Winterung in den bequemen Ställen.
– Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz,
Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert
Und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt,
Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,
Mit bunten Wappenschildern ist's bemalt,
Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann
Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.
STAUFFACHER:
Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,
Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.
GERTRUD: Mein Werner sage, wie verstehst du das?
STAUFFACHER:
Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut,
Das schön Vollbrachte freudig überdenkend,
Da kam daher von Küßnacht, seiner Burg,
Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.
Vor diesem Hause hielt er wundernd an,
Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig
Wie sich's gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,
Der uns des Kaisers richterliche Macht
Vorstellt im Lande. »Wessen ist dies Haus?«
Fragt' er bösmeinend, denn er wußt es wohl.
Doch schnell besonnen ich entgegn ihm so:
Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers,
Und Eures und mein Lehen – da versetzt er:
»Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt,
Und will nicht, daß der Bauer Häuser baue
Auf seine eigne Hand, und also frei
Hinleb, als ob er Herr wär in dem Lande,
Ich werd mich unterstehn, euch das zu wehren.«
Dies sagend ritt er