Ungekürztes Werk "Die Wahlverwandtschaften" von Johann Wolfgang Goethe
Johann Wolfgang Goethe
Die Wahlverwandtschaften
INHALT
ERSTER TEIL
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Nachschrift der Vorsteherin
Beilage des Gehilfen
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Brief der Vorsteherin
Brief des Gehilfen
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Eduard an Charlotten
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
ZWEITER TEIL
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Aus Ottiliens Tagebuche
Drittes Kapitel
Aus Ottiliens Tagebuche
Viertes Kapitel
Aus Ottiliens Tagebuche
Fünftes Kapitel
Aus Ottiliens Tagebuche
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Aus Ottiliens Tagebuche
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Aus Ottiliens Tagebuche
Zehntes Kapitel
Die wunderlichen Nachbarskinder
Novelle
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Eduard an Ottilien
Siebzehntes Kapitel
Ottilie den Freunden
Achtzehntes Kapitel
ERSTER TEIL
Erstes Kapitel
Eduard – so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter – Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen. Sein Geschäft war eben vollendet; er legte die Gerätschaften in das Futteral zusammen und betrachtete seine Arbeit mit Vergnügen, als der Gärtner hinzutrat und sich an dem teilnehmenden Fleiße des Herrn ergötzte.
Hast du meine Frau nicht gesehen? fragte Eduard, indem er sich weiter zu gehen anschickte.
Drüben in den neuen Anlagen, versetzte der Gärtner. Die Mooshütte wird heute fertig, die sie an der Felswand, dem Schlosse gegenüber, gebaut hat. Alles ist recht schön geworden und muß Euer Gnaden gefallen. Man hat einen vortrefflichen Anblick: unten das Dorf, ein wenig rechter Hand die Kirche, über deren Turmspitze man fast hinwegsieht; gegenüber das Schloß und die Gärten.
Ganz recht, versetzte Eduard; einige Schritte von hier konnte ich die Leute arbeiten sehen.
Dann, fuhr der Gärtner fort, öffnet sich rechts das Tal und man sieht über die reichen Baumwiesen in eine heitere Ferne. Der Stieg die Felsen hinauf ist gar hübsch angelegt. Die gnädige Frau versteht es; man arbeitet unter ihr mit Vergnügen.
Geh zu ihr, sagte Eduard, und ersuche sie, auf mich zu warten. Sage ihr, ich wünsche die neue Schöpfung zu sehen und mich daran zu erfreuen.
Der Gärtner entfernte sich eilig und Eduard folgte bald.
Dieser stieg nun die Terrassen hinunter, musterte im Vorbeigehen Gewächshäuser und Treibebeete, bis er ans Wasser, dann über einen Steg an den Ort kam, wo sich der Pfad nach den neuen Anlagen in zwei Arme teilte. Den einen, der über den Kirchhof ziemlich gerade nach der Felswand hinging, ließ er liegen um den andern einzuschlagen, der sich links etwas weiter durch anmutiges Gebüsch sachte hinaufwand; da wo beide zusammentrafen, setzte er sich für einen Augenblick auf einer wohlangebrachten Bank nieder, betrat sodann den eigentlichen Stieg, und sah sich durch allerlei Treppen und Absätze auf dem schmalen, bald mehr oder weniger steilen Wege endlich zur Mooshütte geleitet.
An der Türe empfing Charlotte ihren Gemahl und ließ ihn dergestalt niedersitzen, daß er durch Tür und Fenster die verschiedenen Bilder, welche die Landschaft gleichsam im Rahmen zeigten, auf einen Blick übersehen konnte. Er freute sich daran in Hoffnung, daß der Frühling bald alles noch reichlicher