Biographie Franz Kafka (Seite 9)
Diesen in jeder Zeile lustvoll-geistreichen Text über das aberwitzige Verhältnis zwischen Kunst, Künstler und Publikum hat ein sterbenskranker Dichter verfasst, dessen Lebenswerk zum Großteil aus unveröffentlichten Roman-Fragmenten und Erzählungen besteht, die er sämtlich durch Max Brod verbrennen lassen wollte; ein Wunsch, dem sich Brod allerdings widersetzt.
Für die letzten, äußerlich noch um vieles glanzloseren Monate seines Lebens findet Kafka in dem ostjüdischen Mädchen Dora Diamant eine Gefährtin, die sich vorbehaltlos um seine Bedürfnisse kümmert und ihn zur Ruhe kommen lässt. Kafka verwirklicht endlich seinen Traum, Prag zu verlassen: Die beiden mieten eine kleine Wohnung im Berliner Stadtteil Steglitz, leben von der Hand in den Mund und schmieden Pläne. Mit Dora studiert Kafka die Tora und den Talmud, und beide träumen davon, in Tel Aviv ein kleines Restaurant zu eröffnen: Die in häuslichen Dingen unerfahrene Dora sollte in der Küche stehen, der linkische, lungenkranke Kafka die Gäste bedienen. Daraus wird jedoch nichts. Nicht zuletzt aufgrund der schlechten Ernährung im Inflationswinter verschlechtert sich Kafkas Gesundheitszustand rapide. Er wird in ein Sanatorium gebracht, ohne dass deswegen jedoch die leiseste Hoffnung auf Genesung bestanden hätte.
In den letzten Wochen vor seinem Tod kann Kafka oft weder Nahrung aufnehmen noch sprechen. Er führt Konversationshefte, liest Korrekturfahnen für seine letzte Publikation (Ein Hungerkünstler) und beobachtet den Fortgang der Krankheit. Am 3. Juni 1924 schließlich stirbt Franz Kafka, kurz vor seinem 41. Geburtstag.
»Wäre das Wesen nur nicht so hinfällig, man könnte ja die Erscheinung fast aufzeichnen: links stützt ihn etwa Dora; rechts etwa jener Mann; den Nacken könnte ihm z. B. irgend ein ‘Gekritzel’ steifen; wenn jetzt nur noch der Boden unter ihm gefestigt wäre, der Abgrund vor ihm zugeschüttet, die Geier um seinen Kopf verjagt, der Sturm über ihm besänftigt, wenn das alles geschehen würde, nun, dann ginge es ja ein wenig.«
An Max Brod, Januar 1924
»Die ganze Welt hat nichts von Franz zu wissen. Er geht sie nichts an, weil – ja, weil sie ihn ja doch nicht versteht.«
Dora Diamant an Max Brod 1930
»Ich kenne einen Menschen, dessen Lungen krank sind. Er ist groß, mager, sein Gesicht hager, scharf geschnitten, schön, böse und überaus gütig.«
Milena Jesenská. In: ‘Tribuna’, 25. Februar 1921
»Nie sprach er ein unbedeutsames Wort. [...] In seiner Gegenwart veränderte sich der Alltag, alles wirkte, wie zum erstenmal gesehen, war neu, oft auf eine sehr traurige, ja niederschmetternde Art neu.«
Max Brod. In: ‘Franz Kafka. Eine Biographie’
»So starr, streng, unnahbar ist sein Gesicht, wie rein und streng sein Geist war. [...] Die Milde seines menschlichen Daseins ist dahin, nur sein unvergleichlicher Geist formt noch sein starres teueres Gesicht. So schön ist es, wie eine alte Marmorbüste.«
Dora Diamant. In: ‘Selbstwehr’, 6. Juni 1924
»Das Schlußwort bleibt immer: Ich könnte leben und lebe nicht.«
An Max Brod 5. Juli 1922