Biographie Gottfried Keller (Seite 3)
Im Dezember 1855 kehrt er nach Zürich zurück, um, wie er sich vornimmt, "eine ordentliche und geregelte Industrie zu betreiben. Rohstoff hat sich genug angesammelt während der sieben Jahre in der Wüste." Aus dem Vorsatz aber wird nichts. Er wohnt wieder bei seiner Mutter und seiner Schwester. In der ersten Zeit pflegt er Umgang mit Friedrich Theodor Vischer, Richard Wagner und Gottfried Semper, bald aber fält er in eine schwere depressive Phase, die eine Schaffenskrise mit sich bringt. "Ich habe wochenlang nicht nur kein Wort geschrieben, sondern auch keines gesprochen, denn der Mensch denkt und Gott lenkt, und man kann sein inneres Geschick oder Ungeschick nicht zum voraus bestimmen wie einen Fakturzettel."
1856 erscheint bei seinem Braunschweiger Verleger Vieweg der erste Teil der Leute von Seldwyla; deren Fertigstellung sowie die Beendigung des Sinngedichts, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, unterbleiben jedoch.
Sechs Jahre dauert diese unbefriedigende Phase. 1861 wird er – völlig überraschend – zum ersten Staatsschreiber des Kantons Zürich gewählt. Das Amt verhilft ihm nicht nur zur materiellen Sicherung seiner Existenz, sondern zwingt ihn zu geregelter Tätigkeit und nimmt ihm die Furcht, die seit seinem Schulausschluss ständig präsent ist: "die Furcht, ein gemeines, untätiges und verdorbenes Subjekt zu werden."
Er nimmt nun seine literarische Tätigkeit wieder auf und vollendet im nächsten Jahrzehnt die Sieben Legenden (1872 erschienen) und die Leute von Seldwyla (die ersten drei Bände 1873, der vierte Band 1874 erschienen); gleichzeitig arbeitet er an den Züricher Novellen (die schließlich 1876/77 erschienen).
Einen tragischen Ausgang nimmt seine 1866 geschlossene Verlobung mit Luise Scheidegger, einer schwermütigen Frau, die noch im gleichen Jahr, als sie durch Schmähartikel von Kellers nicht ganz solidem Lebenswandel erfährt, Selbstmord begeht. Bereits 1864 ist Kellers Mutter gestorben, seine Schwester führt ihm nun alleine den Haushalt.
Mit großem Pomp begeht die Stadt Zürich 1869 Kellers 50. Geburtstag und die Universität verleiht ihm die Ehrendoktorwürde. Die Ehrung gilt dabei keineswegs dem im deutschsprachigen Raum noch immer relativ unbekannten Prosaisten, sondern dem schweizerischen Patrioten und Liederdichter.
Erst in den 1870er Jahren, mit der Veröffentlichung der Sieben Legenden, wird Keller über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt, sein Ruhm mehr sich und das Interesse an seinen bis dahin eher erfolglosen Büchern steigt.