Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller

Friedrich Schiller

Kabale und Liebe

Ein bürgerliches Trauerspiel

Kabale und Liebe

Erster Akt, erste bis siebente Szene

Zweiter Akt, erste bis siebente Szene

Dritter Akt, erste bis sechste Szene

Vierter Akt, erste bis neunte Szene

Fünfter Akt, erste bis letzte Szene

Personen

Präsident von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten

Ferdinand, sein Sohn, Major

Hofmarschall von Kalb

Lady Milford, Favoritin des Fürsten

Wurm, Haussekretär des Präsidenten

Miller, Stadtmusikant, oder wie man sie an einigen Orten nennt, Kunstpfeifer

Dessen Frau

Luise, dessen Tochter

Sophie, Kammerjungfer der Lady

Ein Kammerdiener des Fürsten

Verschiedene Nebenpersonen


Erster Akt

Erste Szene

Zimmer beim Musikus.

Miller steht eben vom Sessel auf und stellt seine Violoncell auf die Seite. An einem Tisch sitzt Frau Millerin noch im Nachtgewand und trinkt ihren Kaffee.

MILLER schnell auf und ab gehend: Einmal für allemal. Der Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und – kurz und gut, ich biete dem Junker aus.

FRAU: Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt – hast ihm deine Tochter nicht nachgeworfen.

MILLER: Hab ihn nicht in mein Haus geschwatzt – hab ihm's Mädel nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon? – Ich war Herr im Haus. Ich hätt meine Tochter mehr koram nehmen sollen. Ich hätt dem Major besser auftrumpfen sollen – oder hätt gleich alles Seiner Exzellenz dem Herrn Papa stecken sollen. Der junge Baron bringt's mit einem Wischer hinaus, das muß ich wissen, und alles Wetter kommt über den Geiger.

FRAU schlürft eine Tasse aus: Possen! Geschwätz! Was kann über dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner Profession nach, und raffst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen sind.

MILLER: Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Kommerz auch herauskommen? – Nehmen kann er das Mädel nicht – Vom Nehmen ist gar die Rede nicht, und zu einer daß Gott erbarm? – Guten Morgen! – Gelt, wenn so ein Musje von, sich da und dort, und dort und hier schon herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiß was als? gelöst hat, schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf süß Wasser zu graben. Gib du acht! gib du acht! und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strecktest, und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Mädel eins hinsetzen, und führt sich ab, und das Mädel ist verschimpfiert auf ihr Leben lang, bleibt sitzen, oder hat's Handwerk verschmeckt, treibt's fort. Die Faust vor die Stirn. Jesus Christus!

FRAU: Gott behüt uns in Gnaden!

MILLER: Es hat sich zu behüten. Worauf kann so ein Windfuß wohl sonst sein Absehen richten? – Das Mädel ist schön – schlank – führt seinen netten Fuß. Unterm Dach mag's aussehen, wie's will. Darüber kuckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn's nur der liebe Gott Parterre nicht hat fehlen lassen – Stöbert mein Springinsfeld erst noch dieses Kapitel aus – heh da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun müssen alle Segel dran, und drauflos, und – ich verdenk's ihm gar nicht. Mensch ist Mensch. Das muß ich wissen.

FRAU:

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