Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 5)

Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll – – auf seinem Gänsekiel reiten.

WURM greift nach Hut und Stock, und zum Zimmer hinaus: Obligation, Herr Miller.

MILLER geht ihm langsam nach: Für was? Für was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Sekretarius. Zurückkommend: Nichts hört er und hin zieht er – – Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federnfuchser zu Gesichte krieg. Ein konfiszierter widriger Kerl, als hätt ihn irgendein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert – Die kleinen tückischen Mausaugen – die Haare brandrot – das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stück Arbeit meinen Schlingel da angefaßt, und in irgendeine Ecke geworfen hätte – Nein! Eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir – Gott verzeih mir's –

FRAU spuckt aus, giftig: Der Hund! – Aber man wird dir's Maul sauber halten.

MILLER: Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker – Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht – Bist doch nie dummer, als wenn du um Gottes willen gescheit sein solltest. Was hat das Geträtsch von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte. Dem muß man so was an die Nase heften, wenn's morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Häusern herumriechen, über Keller und Koch räsonieren, und springt einem ein nasenweises Wort übers Maul – Bumbs! haben's Fürst und Matreß und Präsident, und du hast das siedende Donnerwetter am Halse.

Dritte Szene

Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand.

Vorige.

LUISE legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm die Hand: Guten Morgen lieber Vater.

MILLER warm: Brav meine Luise – Freut mich, daß du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.

LUISE: O ich bin eine schwere Sünderin, Vater – War er da Mutter?

FRAU: Wer mein Kind?

LUISE: Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt – Mein Kopf ist so wüste – Er war nicht da? Walter?

MILLER traurig und ernsthaft: Ich dachte, meine Luise hätte den Namen in der Kirche gelassen?

LUISE nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen: Ich versteh Ihn Vater – fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es kommt zu spät. – Ich hab keine Andacht mehr Vater – der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte – ich fürchte – Nach einer Pause: Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt. – Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?

MILLER wirft sich unmutig in den Stuhl: Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.

LUISE tritt unruhig an ein Fenster: Wo er wohl jetzt ist? – Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen – ihn hören – ich bin ein schlechtes vergessenes Mädchen. Erschrickt an dem Wort, und stürzt ihrem

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