Biographie Johann Wolfgang Goethe (Seite 7)

Das heißt, gekannt hat man sich von Jena her schon einige Jahre, aber zum einen nur flüchtig, und zum anderen mochte man sich nicht besonders. Doch eines Tages, in einem Gespräch in der Jenaer Naturforschenden Gesellschaft über die Metamorphose der Pflanzen, kommen sich die beiden Dichter näher. Schiller ist 35, also zehn Jahre jünger, hat u. a. mit Die Räuber und Kabale und Liebe seinen persönlichen Sturm und Drang nachgeholt und ist dann, vor allem durch die Lektüre Kants, zu einer inneren Wandlung gelangt; er ist, viel mehr als Goethe, ein philosophischer Kopf. Schiller geht von der Idee aus, Goethe kommt von den Anschauungen her. So sind sie diametrale Gegensätze, können sich aber gerade dadurch ergänzen. Aus der Bekanntschaft erwächst bald eine enge Zusammenarbeit, und für Goethe beginnt eine Phase intensiver dichterischer Produktion.

Die bereits erwähnten Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten veröffentlicht Schiller in seiner Zeitschrift Horen noch 1794, die Römischen Elegien 1795, die Venetianischen Epigramme erscheinen 1796 in seinem Musenalmanach. Im selben Jahr verfassen Goethe und Schiller zusammen ihre Xenien, boshafte Epigramme auf zeitgenössische Kritiker und Dichter-Kollegen. 1797 wird zum berühmten 'Balladen-Jahr', in dem Goethe Die Braut von Korinth, Der Zauberlehrling und Der Gott und die Bajadere verfasst. Und was mindestens ebenso wichtig ist: Goethe schließt seinen Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre ab, nimmt die Arbeit am Faust wieder auf, die lange geruht hat, und schreibt das Vers-Epos Hermann und Dorothea, mit dem er erstmals seit dem Werther wieder Erfolg bei einem breiteren Publikum hat.

Ein Jahrzehnt dauerte diese Zusammenarbeit, in der Goethe und Schiller ihre klassische Ästhetik in gegenseitiger Befruchtung entwickeln; eine Ästhetik, die ein Jahrhundert lang in Deutschland die Geister beherrscht. Auch wo neue Positionen gesucht wurden – zuerst in der Romantik – geschieht dies immer in Auseinandersetzung mit den Weimarer Dioskuren. Mit dem Tod Friedrich Schillers 1805 endet diese fruchtbarste Phase in Goethes Leben.

Weimar, letzte Phase. 1805 – 1832
1806 schließt Goethe sein Drama Faust, der Tragödie erster Teil ab, das in seinen ersten Entwürfen bis in die Sturm-und-Drang-Zeit zurückreicht (Urfaust). Im selben Jahr heiratet er (endlich) seine langjährige Lebensgefährtin Christiane. Die Trauringe lässt er auf den 14. Oktober 1806 datieren; an diesem Tag hat Napoleon in der Schlacht von Jena die Preußen geschlagen. Goethe bewundert den französichen Kaiser vor allem als Überwinder der Revolution und Ordner des politisch zerrissenen Kontinents. Die persönliche Begegnung im Oktober 1808 betrachtet er als eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens.

Karikatur zu den »Xenien«
Karikatur zu den »Xenien« nach einer Zeichnung von Rossmäßler aus dem Almanach Triumph des deutschen Witzes (1800).
Schiller versetzt Nicolai einen Faustschlag, Herder liegt am Boden. Goethe beobachtet links im Hintergrund das Geschehen.
Martial
Xenien nennet ihr euch? Ihr gebt euch für Küchenpräsente?
Ißt man denn, mit Vergunst, spanischen Pfeffer bei euch?

Xenien
Nicht doch! Aber es schwächten die vielen wäßrichten Speisen
So den Magen, daß jetzt Pfeffer und Wermut nur hilft.
Reichsländer
Wo ich den deutschen Körper zu suchen habe, das weiß ich,
Aber den deutschen Geist, sagt mir, wo findet man den?
Auswahl
Streiche jeder ein Distichon weg, das ihm etwa mißfiele,
Und wir wetten, es blieb’ keins von fünfhunderten stehn.

Aus: Johann Wolfgang Goethe/Friedrich Schiller: »Xenien« (1796)

Skizze Goethes für die Szenenfolge zu Schillers Totenfeier
Skizze Goethes für die Szenenfolge zu Schillers Totenfeier am 10. August 1805; der Plan wurde allerdings nicht ausgeführt.

»Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns, im sichern Port,
Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine,
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.«

Johann Wolfgang Goethe: Strophe aus »Epilog zu Schillers Glocke«, vorgetragen zu den Schiller-Gedenkfeiern 1805, 1810 und 1815

Bleistiftzeichnung (1811) von Peter Cornelius zur Dom-Szene in Faust I
Bleistiftzeichnung (1811) von Peter Cornelius zur Dom-Szene in Faust I.

»[Der Maler hat sich] ganz in die alte deutsche Art und Weise vertieft, die denn zu den Faustischen Zuständen ganz gut paßt«. Daß Goethe als Liebhaber der Gotik von der Zeichnung angetan war, verwundert nicht:
»Einen großen Reiz muß die [deutsche] Bauart haben, […] sie muß etwas Großes, gründlich Gefühltes, Gedachtes, Durchgearbeitetes enthalten, Verhältnisse […], deren Wirkung unwiderstehlich ist.«

Johann Wolfgang Goethe: Strophe aus »Epilog zu Schillers Glocke«, vorgetragen zu den Schiller-Gedenkfeiern 1805, 1810 und 1815

Erlanger Gasthof, in dem Goethe 1797 auf der Durchreise übernachtete.
Gedenktafel für einen ehemaligen Erlanger Gasthof, in dem Goethe 1797 auf der Durchreise übernachtete. Foto: Clarissa Höschel