Interpretation "Der Richter und sein Henker" von Friedrich Dürrenmatt

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer enormen Popularität beim Leser ist sich die Kritik nie ganz sicher, was sie von Dürrenmatts Kriminalromanen halten soll. Ist das nicht einfach bloß Trivialliteratur? Oder sind es sorgfältig konstruierte Ideenromane, denen ein tiefgründiges philosophisches Konzept zugrunde liegt? Dürrenmatt selbst ist von jeher kein Freund der von den Kritikern vorgegebenen Aufteilung in ernste und unterhaltsame Literatur. Um in der Welt der Bildung bestehen zu können, müsse der Künstler vielleicht Kriminalromane schreiben und genau dort Kunst produzieren, wo niemand sie vermute, äußert sich Dürrenmatt 1956 in seinem Text Theaterprobleme. Literatur müsse so leicht werden, dass sie nichts mehr wiege - nur so werde sie wieder gewichtig.

Dürrenmatts erster und sogleich international erfolgreicher Kriminalroman Der Richter und sein Henker spielt dann auch mit den Formen des Genres. Hauptkommissar Bärlach ist kein selbstbewusster und knallharter Schnüffler, wie man ihn aus den amerikanischen Detektivgeschichten kennt, sondern ein alter und kranker Mann, der bald an seiner Magenkrankheit sterben wird. Bärlach entspricht ganz und gar nicht dem Klischee des moralisch unantastbaren Polizisten, der gegen das Böse in der Welt ankämpft. Ganz im Gegenteil: Er gilt zwar offiziell als der Gute und beschäftigt sich vordergründig mit der Verbrecherjagd, aber in Wahrheit inszeniert er den Mord an seinemalten Kontrahenten Gastmann. Der 'gute' Kommissar geht über Leichen, um den 'bösen' Verbrecher zu richten, von dem er sich damit gar nicht mehr so sehr unterscheidet. Gut und Böse sind in Dürrenmatts Kriminalroman untrennbar miteinander verwoben.

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